Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)
blöden Gefühls in seinem Bauch und weil ihm immer noch das bucklige Männlein nachhing. Der Kollege kramte in einem Ablagekasten und zog ein Formular hervor. »Hier.«
»Ich dachte, ihr schmeißt das gleich in den Müll.«
»Tun wir sonst auch«, sagte der Kollege. »Aber letzten Donnerstag hatte Arthur Dienst, und der kannte die Coordes noch nicht und hat es deshalb aufbewahrt.«
Ach so.
Elias ging mit dem Formular in der Hand die Treppe hinauf. Bärbel Coordes hatte angegeben, dass ihre Tochter Stefanie verschwunden sei. Irgendwann in der Nacht. Sie war der Meinung gewesen, dass das bucklige Männlein sie geholt habe. Elias merkte, wie sich sein Magen verkrampfte. Will ich in mein Gärtlein geh’n, will mein Zwieblein gießen, steht ein bucklig Männlein da …
Er kehrte in sein Büro zurück. »Hast du die Durchwahl von Arthur?«, fragte er Harm.
Der griff in eine Schublade und reichte ihm ein eingeschweißtes Blatt Papier. Arthur hatte keinen Dienst, aber seine private Handynummer war in Klammern angegeben. Er hob auch gleich ab. Offenbar befand er sich gerade in einem Supermarkt, dem Lärm nach zu urteilen. Natürlich konnte er sich an Bärbel Coordes erinnern.
»Und?«
»Wie und ?«, fragte Arthur.
»Was hattest du für einen Eindruck?«
»Keine Ahnung, da musst du den fragen, der rübergefahren ist zu dem Hof.«
»Ist denn einer hin?«
»Will ich doch hoffen. Das ist schließlich Usus, wenn jemand vermisst … Entschuldigung, frische Schalotten haben Sie nicht im Angebot? Die seh’n ja aus wie von vor Ostern«, beschwerte Arthur sich bei jemandem im Laden.
»Wer hatte denn Dienst?«, fragte Elias.
»Nee, die sind ganz braun in den Spitzen«, mäkelte sein Kollege. »Regelrecht matschig.«
»Mensch, Arthur!«, sagte Elias.
»Und normale Zwiebeln? Oder vielleicht rote? … Ja, genau, Käse-Sahne … Klar, Weißwein, aber nur ein Schuss …«
Die Ostfriesen kannst du nicht antreiben – damit hatte Ulf Krayenborg jedenfalls recht. Elias wartete und kaute auf seinem Bleistift herum.
»Wenn ein Mädchen vermisst wird, fährt man doch hin«, meldete Arthur sich nach einer Ewigkeit zurück. »Es ist doch jemand von euch rüber, oder?«
Elias verabschiedete sich, drückte Arthur weg und gab die Telefonnummer von Bärbel Coordes ein, die im Anzeigenformular notiert war. Es hob niemand ab. Gerade als er seine Jacke überzog, um eine Spritztour zum Hof der Familie zu unternehmen – Neermoor, das lag ganz in der Nähe –, meldete sich Frauke von unten.
Und dann standen sie auch schon bis zum Hals im Dreck.
»Nicht ernst genommen!«, schrie Gitta Coordes. »Sie haben sie einfach nicht ernst genommen! Ich fass es nicht!« Sie saß auf dem Besucherstuhl in Harms Büro, bebend vor Wut und Angst, und fixierte Harm. Der kaute auf der Lippe und versuchte, nicht ganz so betreten auszusehen, wie er sich fühlte.
»Tja, Ihre Schwester – verstehen Sie mich bitte nicht falsch – erscheint relativ häufig bei uns auf dem …«
»Jetzt ist Bärbel also auch noch selbst daran schuld!«, zischte Gitta.
Elias langte zu seinem Haftnotizblock und kritzelte: Gitta: erregt . Dass sie diese Erregung nicht spielte, glaubte er vor allem deshalb, weil sie gerade ein Loch in ihre Strickjacke nestelte. Wenn eine Frau ihre Kleidung demolierte, musste man von tiefen inneren Emotionen ausgehen. Er musterte sie unauffällig. Gitta war etwa vierzig, mit hübschen, dunkelbraunen Augen und weniger hübschen Falten, die ihren Mund umgaben wie ein Saum aus mürrischer Laune. Sie war schlank und hatte auffällig gerötete Hände, was auf reichlich Händewaschen oder eine Allergie hindeutete. Ihre Haare hatte sie auf dem Rücken zu einem Zopf gebunden.
»Ihre Schwester hat selbstverständlich alles richtig gemacht«, wand sich Harm, »nur …« Nur wurde die blöde Bärbel Coordes von der Polizei eben nicht ernst genommen, besonders wenn sie von buckligen Männlein faselte, das musste man doch verstehen. Harm zog es vor, diesen Teil seines Satzes zu verschlucken. »Ich muss mich entschuldigen.«
»Wie hilfreich«, höhnte Gitta. »Leider kommt Steffi dadurch auch nicht zurück. Sie ist jetzt seit vier Tagen weg!« Die Frau presste die Faust vor den Mund und brach in Tränen aus. Harm reichte ihr ein Taschentuch aus der Pappbox in seiner Schreibtischschublade und schaute hilflos zu Elias. Ein Mädchen war verschwunden, die Mutter hatte Anzeige erstattet, sie hatten nicht reagiert. Er war niemand, der das einfach
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