Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
Gastraum, und Emily näht uns daraus prachtvolle Gardinen. Der Stoff ist cremefarben, ganz leicht und duftig und hat ein schönes Ausbrenner-Muster. Zusammen mit den vanillefarbenen Wänden, dem dunklen Holz und den honigfarbenen Stühlen sieht es sehr anheimelnd aus. In der Mitte des Raums hängt ein riesengroßer Kristall-Kronleuchter, und an den Wänden haben wir ein paar dezente cremefarbene Lampen angebracht, die ein gemütliches Licht verbreiten, das trotzdem hell genug zum Lesen ist. Wenn man in die Küche schaut, fällt der Blick sofort auf Friedas schönen alten Küchenschrank, den wir erst abgeschliffen und dann ebenfalls Vanillegelb gestrichen haben. Da von dem tollen Stoff noch etwas übrig war, näht Emily uns Kissen, die wir auf Friedas Biedermeier-Sofa verteilen, welches im hinteren Teil des Cafés steht und Platz für zwei Freundinnen bietet, die sich etwas erzählen wollen, oder ein verliebtes Pärchen, um Händchen zu halten, oder einfach nur für jemanden, um die Tageszeitung zu lesen und ein Tässchen Kaffee dabei zu trinken.
Damit diese cremebraun-vanillefarbene Harmonie nicht zu langweilig erscheint, hängen wir einige der knallbunten, von meiner Mutter gemalten Bilder auf. Schließlich habe ich vor, hin und wieder ein paar Künstler hier auszustellen und vielleicht auch mal eine Autorenlesung zu veranstalten. Meine Mutter vermisse ich ebenso wie Nini, obwohl ich jeden Tag mit ihr per E-Mail in Kontakt bin. Sie scheint wirklich sehr glücklich mit ihrem Steve zu sein, und wie es aussieht, ist es wohl was Ernstes mit den beiden. Das heißt, sie wird erst wiederkommen, wenn ihr momentanes 90-tägiges Aufenthaltsrecht ausläuft …, und wer weiß, was dann ist? Doch ich bin froh, dass sie ihr Glück gefunden hat. Und mir fallen wieder Friedas Worte ein, dass man immer seinem Herzen folgen muss.
Für das Schild am Haus und die Speisekarten haben wir ein Logo mit einer Butterblume entwickelt, die Emily selbst nach einer Vorlage aus dem Internet gezeichnet hat. Wieder einmal fällt mir auf, wie talentiert sie ist. Was würde ich nur ohne sie tun? Die Schilder werden geliefert und von Thomas an der Vorderseite und über der Terrasse befestigt. Während wir an diesem grauen und nebligen Tag im Garten herumstehen und Thomas auf der Leiter Kommandos geben »Mehr rechts, mehr links, höher« und so weiter, entsteht vor meinem geistigen Auge mal wieder das Bild aus meinem Traum von dem Café im Sommer und wie ich dort gerade Kuchen serviere. Ich hätte nie gedacht, dass er wahr werden würde. Dort, wo das Boot ›Sommerwind‹ am Steg lag, sind mal wieder die beiden Möwen, die in letzter Zeit öfter hier ein kleines Päuschen einzulegen scheinen und die ich heimlich ›Frieda und Hermann‹ genannt habe. Wer weiß, vielleicht sind es ja die beiden?
»Siehst du, Frieda, ich habe alles voll im Griff!«, rufe ich ihnen zu. Wahrscheinlich verblöde ich so langsam.
Das gleiche Butterblumen-Logo habe ich auch für die Einladungen zur Eröffnung und die Annonce in der Tageszeitung gewählt. Obwohl ich ein Tagescafé betreiben möchte, soll die Eröffnung am Abend stattfinden, damit die geladenen berufstätigen Gäste auch Zeit haben zu kommen.
Wir haben allerhand Leute eingeladen, genauer gesagt, alle, die wir kennen, und natürlich die örtliche Presse. Sowohl der Südkurier als auch die Schwäbische Zeitung, das Wochenblatt und das ›Akzent‹, die Gastrozeitung, die immer über Neuigkeiten aus der Szene berichtet, wollen jemanden vorbeischicken. Thomas und seine Jungs, die ›Lakeboys‹, kommen schon am Nachmittag, um sich ein bisschen einzuspielen. Einige Tage zuvor habe ich Leon angerufen und ein wenig Wein bestellt und auch ihn eingeladen. Leon hat sich sehr über meinen Anruf gefreut und spontan zugesagt. Ich konnte mir nicht verkneifen zu sagen, er könne auch Katharina mitbringen oder Lisa.
»Maja, du kannst mir das nicht verzeihen, stimmt’s? Lisa ist Vergangenheit«, bekam ich als Antwort.
Ist mir das wirklich noch wichtig? Ich meine, natürlich hat es mich verletzt, Leon in den Armen von Lisa zu sehen. Aber in der letzten Zeit sind so viele andere Dinge geschehen, die diese Sache wirklich lächerlich erscheinen lassen. Genaugenommen freue ich mich sogar darauf, Leon wiederzusehen. Und ›verziehen‹ habe ich ihm eigentlich schon längst.
Am Abend, als der Mond den See in helles Licht taucht, stehe ich oben in meinem Zimmer am Fenster und sehe hinaus. Noch immer raubt mir die
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