Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
einer blassgrauen Tunika und Jeans daneben und löffelt ein Müsli. Robert nickt mir kurz zu, dann widmet er sich wieder seiner Zeitung, während der kleine Johannes ein Nutellabrot verspeist. Anna, das Dienstmädchen, schenkt allen Kaffee nach und mir auch eine Tasse ein. Wunderbar. Der Duft des frisch zubereiteten Getränks weckt sofort meine Lebensgeister. Da Katharina und Susann mich nicht weiter beachten und über ihren heutigen Golftag sprechen, versuche ich, ein bisschen Konversation mit Johannes zu machen.
»Na, Johannes, was hast du bei dem schönen Wetter heute vor?«, frage ich ihn und erwarte eine Antwort, die in Richtung Freunde und Fahrradfahren oder Ähnliches geht. Stattdessen wirft er einen kurzen Blick auf seine Mutter und zuckt dann die Schultern.
»Johannes hat heute Reitstunden und muss dann noch etwas für die Schule tun«, antwortet Susann für ihn. Dann sagt sie zu ihrem Mann: »Kannst du Johannes nachher auf den Reiterhof fahren und auch wieder abholen?«
Ich sehe Johannes an, der mit seinem blassen Gesichtchen gar nicht glücklich aussieht, und fast tut er mir ein bisschen leid. Ob er in dem vollen Terminkalender seiner Eltern wenigstens hin und wieder ein Plätzchen findet? Wie alle Kinder, die derart privilegiert leben wie er, weiß er seinen Wohlstand zu schätzen und lässt dies sicher auch seine Freunde wissen. Ob er wohl echte Freunde hat oder seine Schulkameraden nur deshalb kommen, weil in seinem Kinderzimmer alle momentan angesagten Spielsachen zu finden sind? Ich muss an Nini denken und daran, dass wir in meiner Freizeit eigentlich immer zusammen waren. Wir waren schwimmen, Rad fahren, Eis essen, im Kino oder haben gelesen und gebastelt, wenn das Wetter mal nicht so toll war. Bei dem Gedanken an sie stehe ich auf. Ich möchte jetzt wirklich heim. Und in diesem Moment kommt Leon in seinen Joggingsachen um die Ecke.
»Hier bist du!«, ruft er mir zu, als sei ich es gewesen, die einfach verschwunden war. Er küsst mich, wünscht den anderen einen guten Morgen, bevor er sich unter die Dusche verabschiedet.
»Maja, du solltest wirklich auch mit dem Golfen anfangen. Dann könnten wir jetzt den Tag zusammen verbringen«, sagt Katharina.
Au ja, das habe ich mir schon immer gewünscht. Aber ich muss doch anerkennen, dass sie in Erwägung zieht, den Tag mit mir zu verleben. »Das werde ich ganz sicher irgendwann«, antworte ich unbestimmt.
»Wenn ich mal nicht mehr so viel arbeiten muss und Nini mich nicht mehr so braucht.«
Bei der Erwähnung von Ninis Namen fällt ihr wieder ein, dass ich ja eine alleinerziehende Mutter bin, und sie runzelt die Stirn.
»Wie alt ist Nini jetzt eigentlich? 15, 16?«, fragt sie mich und wirft einen Blick auf Johannes, der mit seinen acht Jahren ganze Tage alleine verbringt, während seine Eltern golfen oder arbeiten.
»17«, sage ich trotzig, »und auch wenn sie sehr selbstständig ist, freut sie sich doch, wenn ich zu Hause bin.«
Aber Katharina ist schon wieder in ein Gespräch mit Susann über andere Leute vertieft, die allesamt auch berufstätig sind und golfen. Endlich kommt Leon frisch geduscht um die Ecke, und ich bitte ihn, mich heimzufahren, doch Katharina fällt mir ins Wort: »Jetzt lass ihn doch erst mal frühstücken!«, – als ob ich das nicht vorgehabt hätte. Und Susann fragt ihn, ob er mit auf den Golfplatz wolle.
Emily mischt sich ein und bietet an, mich nach Hause zu bringen. Das finde ich wirklich nett von ihr, doch habe ich ein wenig das Gefühl, sie sagt das nur, um sich hier verdrücken zu können. Leon bedankt sich bei ihr, sagt jedoch: »Natürlich fahre ich dich nach Hause, mein Schatz!«, – worüber ich sehr froh bin. Er kann auch nicht auf den Golfplatz, da er noch viel Arbeit im Büro hat. Schließlich muss das Sommer-Weinfest auf dem Gut, das im Juni stattfinden soll, vorbereitet werden sowie einige Weinproben und Weinseminare. Die Büros befinden sich neben den Verkaufsräumen in einem separaten Gebäude, welches direkt neben dem Weg zum Weingut liegt und somit für die Kunden gut erreichbar ist.
Ich bin froh, dass Leon heute selbst so viel zu tun hat, so bleibt mir Zeit für mich selbst und meine Tochter, ach ja, und meine Mutter, der ich die Übersetzungen versprochen habe. Und Eva, die ich unbedingt anrufen muss.
Als der schwarze Porsche aus der Einfahrt des Weingutes braust, denke ich darüber nach, warum ich mich in dieser wunderschönen Atmosphäre eigentlich nie richtig wohlfühle. Ich liebe Leon,
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