Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
Fahrt erzählt hat, und ich bewundere wieder einmal, wie gut er sich hier auskennt. Wir halten vor einem Gebäude direkt am See und betreten das Restaurant ›Le rève‹. Davon habe ich noch nie gehört, das muss ganz neu sein. Tatsächlich sieht es auch so aus, als wären die Gastgeber gerade erst eingezogen, denn der Einrichtungsstil des Lokals ist sehr ›reduziert‹ zu nennen. Die Möbel sehen irgendwie aus wie aus den Siebzigerjahren und sind aus weißem Plastik, ebenso die Lampen über den schmuck- und tischdeckenlosen Tischen. Als kleine Dekoration und als Farbtupfer haben sich die Gastronomen für ein winziges grünes Grasbüschel entschieden. Na, hoffentlich ist das Essen nicht so kalt wie die Atmosphäre hier drin. Dennoch ist der Laden fast voll, offenbar wussten doch schon mehr Leute von diesem Geheimtipp als ich. Wir werden zu einem Tisch geführt, der immerhin am Fenster steht und einen einigermaßen netten Ausblick zum See hin bietet.
Leon hat ein ›Diner pour deux‹ bestellt, und ich frage mich, ob dieses französische Restaurant nicht zufällig ein Geheimtipp von Anouk war. Aber da ich großen Hunger habe, freue ich mich auf das Essen, egal ob französisch oder deutsch. Wir trinken ein Gläschen Champagner und bekommen dazu Weißbrot mit Butter serviert. Eine gute Gelegenheit, Leon ein bisschen auf den Zahn zu fühlen.
»Sag mal, Leon, diese Anouk«, beginne ich vorsichtig. »Wie lange arbeitet die schon bei euch? Du hast mir noch gar nicht von ihr erzählt.«
»Seit Anfang des Monats. Es ergab sich irgendwie nie die Gelegenheit«, antwortet er. »Weißt du, eines Tages stand sie vor der Tür und sagte: ›Voilà, hier bin isch‹«, grinst er. »Sie hat ausgezeichnete Zeugnisse und schon diversen erstklassigen Weingütern in Frankreich zu Umsatz-Zuwachs verholfen.«
»Habt ihr so was denn nötig?«, frage ich. »Ich dachte immer, eure Weine sprechen für sich. Sie sind doch beliebt, und bisher musstet ihr so gut wie keine Werbung dafür machen.«
»Da sieht man mal wieder, dass du überhaupt keine Ahnung von der momentanen Wirtschaftslage, geschweige denn von der Vermarktung von Wein besitzt.«
Er sieht leicht verstimmt aus, während wir unsere Vorspeise, ein Türmchen (o ja, es ist wirklich ein Türmchen , so klein ist es) von der Gänsestopfleber und Wachtelbrust mit bretonischer Pfefferglace und Trüffelpüree (nicht dass ich Gänsestopfleber oder Wachtelbrust zu meinen Lieblingsessen zählen würde) verzehren.
»Ich meine ja nur, so eine Marketing-Fachfrau, die kostet im Monat doch sicher ganz schön was …«, sage ich weiter, während ich einen großen Schluck aus meinem Weinglas zu mir nehme. Selbstverständlich Römfelds Müller Thurgau.
»Wenn sie unseren Namen europaweit bekannt machen kann, ist sie es allemal wert«, antwortet Leon mit schmalen Lippen.
Ok, ich wollte ihn wirklich nicht kritisieren. Er wird schon wissen, was er tut und ob das Weingut eine Marketing-Expertin braucht.
»Sie scheint ja nett zu sein«, lenke ich daher ein. Aber er betrachtet mich misstrauisch und sagt dann: »Mir scheint, meine Liebe, dass du einfach nur eifersüchtig bist.«
Hätte er das mit einem Lachen gesagt, wäre das gar nicht so schlimm, aber seine Miene ist ernst, und deshalb fühle ich mich gar nicht wohl. Der blasierte Kellner, oder sollte ich besser ›garcon‹ sagen, serviert den Zwischengang, Burgunderschnecken auf pot au feu von Basilikumkartoffeln, und schenkt noch mal reichlich vom Müller Thurgau nach. Zum Glück, denn die Schnecken kriege ich beim besten Willen nicht runter, und von den Bratkartoffeln werde ich nicht satt, so klein, wie auch diese Portion ist. Um vom Thema ›Anouk‹ abzulenken, erzähle ich Leon ein bisschen von Nini, dass sie sich verliebt hat und richtig happy ist. Leon fragt natürlich, um was für einen jungen Mann es sich handelt, und ich berichte in knappen Sätzen die Fakten, die ich auch kenne. Er überlegt kurz und sagt dann: »Das kann nur der Kofler sein. Mein lieber Scholli. Der ist im Verwaltungsrat der AFT Privatbank Schaffhausen. Da hat sie sich zielsicher eine gute Partie angelacht.«
Nun ist es an mir, empört zu sein: »Als ob Nini so was wichtig wäre. Sie hat sich einfach in den jungen Mann verliebt, weil er nett ist und süß, wie sie sich ausdrückt.«
Aber Leon ist anderer Meinung: »Was denkst du, was den Menschen prägt? Seine Herkunft, seine Familie. Hätte sie sich auch in ihn verliebt, wenn sein Vater ein Hartz-IV-Empfänger
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