Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
unwiderstehlich. Doch damit kann er mich nicht beeindrucken. Der Jüngste scheint er nicht mehr zu sein, denn durch sein dunkles, lockiges Haar ziehen sich bereits einige graue Strähnen, was, wie ich zugeben muss, seiner Attraktivität keinerlei Abbruch tut.
Irgendwie komme ich jetzt aber wohl nicht um eine Antwort herum.
»Das Haus soll doch verkauft werden?«, fange ich vorsichtig an.
»Ach ja, und Sie sind wohl die Käuferin oder die Interessentin?«
»Ja«, lüge ich ihn dreist an.
Das wird mir Gelegenheit geben, mich hier in Ruhe umzusehen und ein paar schöne Fotos zu machen. Herr Aschenbrenner wird stolz auf mich sein.
»Deshalb möchte ich auch nicht, dass dieser Magnolienbaum gefällt wird«, sage ich etwas schärfer, als ich es eigentlich vorhatte.
»Dann bitte ich natürlich vielmals um Entschuldigung. Ich wollte den Kaufinteressenten eigentlich zu ein bisschen mehr Seeblick verhelfen, aber wenn Sie meinen, dann lasse ich den Baum stehen. Sie haben sich wohl schon entschieden?«
»Na ja, so gut wie«, lächle ich, aber jetzt muss ich ihn irgendwie loswerden, sonst komme ich heute überhaupt nicht mehr nach Hause. Das Erstaunliche ist, dass ich immer noch das Gefühl habe, bereits zu Hause zu sein, was ich mir gar nicht erklären kann. »Das ist wirklich nett von Ihnen, vielen Dank«, sage ich, und das Lächeln will einfach nicht aus meinem Gesicht verschwinden. Damit drehe ich ihm den Rücken zu und knipse munter weiter. Bestimmt sind die Doppelfenster rechts und links neben der Terrasse in letzter Zeit einmal erneuert worden. Zusammen mit den weißen Fensterläden geben sie dem Haus beinahe ein Gesicht. Hier im Erdgeschoss befinden sich bestimmt die Wohnräume. Auch in der ersten Etage sind einige Fenster, das werden wohl die Schlafräume sein. Unter dem Dachgiebel entdecke ich ein weiteres Fenster, das ist wahrscheinlich das schönste Zimmer mit dem genialsten Blick überhaupt. Vielleicht ein Atelier? Als ich das letzte Bild schieße, kommt tatsächlich ein Sonnenstrahl zwischen den Wolken hervor und strahlt die ›Butterblume‹ bzw. das Objekt 415 an. Bei dem Abendlicht werden es sicher richtig gute Schnappschüsse. Inzwischen habe ich das Haus von allen Seiten und ebenso den herrlichen Garten fotografiert. Es gibt sogar einen eigenen kleinen Bootssteg. Ich werfe noch einen letzten Blick auf die wirklich ansehnlichen Oberarme des frechen Gärtners und mache mich auf den Weg zu meinem Mini. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass ich hier nicht zum letzten Mal gewesen bin.
Kapitel 4
Die Modenschau
Auf der Fahrt nach Hause wandern meine Gedanken zurück zu dem alten Haus am See. Die Menschen, die dort gelebt haben, müssen sehr glücklich gewesen sein. Der Garten ist so liebevoll angelegt und das Haus strahlt so eine gepflegte Gelassenheit aus. Ich bin fest davon überzeugt, dass Häuser eine Seele haben. Man kann spüren, ob darin Glück oder Leid vorgeherrscht haben, und hier bin ich mir sicher, dass es Glück war. Aber leider habe ich keine Zeit, mir weitere Gedanken darüber zu machen. Viel wichtiger ist: Was ziehe ich heute Abend an? In Gedanken forste ich meinen Kleiderschrank und alle ›Nebenstellen‹ durch, komme aber zu keinem befriedigenden Ergebnis. Alle meine ›besseren‹ Kleidungsstücke sind den Damen der Familie Römfeld bereits bekannt. Warum bloß war ich in meiner Mittagspause nicht noch schnell in der Boutique ›Adina‹? Die Sachen dort sind zwar teuer, aber wenn man etwas auf die Schnelle sucht, wird man immer fündig. Und die beiden Schwestern, die den Laden betreiben, sind unheimlich nett und sogar dann noch freundlich, wenn man das Geschäft verlässt, ohne etwas zu kaufen. Wie auch immer, das löst mein Problem heute leider nicht. »Bitte, lieber Gott, mach, dass Nini zu Hause ist«, bete ich im Stillen, während ich den Mini durch den dichten Feierabendverkehr lenke. Mit ihrem tollen Modegeschmack hat sie sicher eine Idee, wie ich aus meinen vorhandenen Sachen ein schickes Outfit zaubern kann. Dank ihres Einfallsreichtums habe ich für meine Garderobe, die nun wirklich nicht aus Designerteilen besteht, schon viele Komplimente geerntet. Außerdem kann sie mit meinen Haaren noch was machen, denn um Eva anzurufen, ist es definitv zu spät. Eva ist nicht nur meine absolute Lebensretterin in Sachen Hairstyling, sondern zufälligerweise auch meine beste Freundin. Als selbstständige Friseurmeisterin betreibt sie eine Art rollenden Haarsalon, das heißt, man
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