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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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was losgeht, wenn man über die Treppen der Brücken rumpelt - und hatten den gleichen Takt, als wir langsam wieder in dichterbesiedelte Regionen vorstießen, die sich schon drei Häuser vorweg durch den Anstieg der Lebensgeräusche ankündigten, die sich um die Ecken verirrten wie tollkühne Vorposten der 6. US-Kavallerie auf der Suche nach Gegnern.
    »Einen ganz kleinen Hunger habe ich eigentlich schon«, sagte sie in meine Schulter hinein und biß auch gleich zu wie ein Kätzchen auf der Suche nach frischen Leckereien.
    »Wie gut sich das trifft«, antwortete ich, da ich, wie von einer magischen Hand geführt, den Weg zu einer meiner liebsten Bars auf der Welt gefunden hatte, die nicht so ohne weiteres zu finden ist, wenn man den Schlangenweg geht, der uns gewählt hatte.
    Von vorne ist es gar nicht schwer - drei Straßen vom Markusplatz, links hinten an der Ecke - aber diese Route gehen nur Anfänger und Dilettanten, die dem Zufall nicht vertrauen und sich in der Folge auch wirklich verirren.
    Wir aber hatten es von hintenherum geschafft, was mich mit zartem Stolz erfüllte, als ich sagte: »Was hältst du davon, hier eine kleine Pause zu machen?«
    »Phantastisch« - sagte sie, und dann setzten wir uns in die kleine grüne Bar an der Ecke drei Straßen links »hinter San Marco, wo es die besten Tramezzinis der Welt gibt.
     

»Tramezzinis -«
    Eßbar gewordene Sonette an das Genießenkönnen des Lebens.
    Einfacher gesagt - ich werde jedesmal ohnmächtig, wenn ich in diese rindenlosen Weißbrotdoppeldeckerdreiecksverführungen beiße - ich weiß, ich weiß -Weißbrot ist der Anfang vom Untergang der Menschheit, das einzige, was kauenswert ist, ist zweifach ungesäuertes Landlagervollkornschrotschwarzsauerbrot, bei dem jeder Bissen zwanzig Minuten dauert -von mir aus - aber nicht, wenn ich glücklich sein will, und Tramezzinis machen mich glücklich.
    Dieser herrliche, schädliche Teig, aus dem diese Schnitten gemacht sind, tippt genau auf diese Saite im menschlichen Verhalten, die exakt auf der Trennungslinie zwischen Barbar und Patrizier aufgespannt ist.
    Die erste Berührung mit einem guten Tramezzino löst den Urreflex aus, der mit einem sinnlichen Erlebnis so verknüpft ist wie das Herz mit dem Körper. Verstandesloses Stöhnen aus den Tiefen des Leibes, die auf Erlösung warten, wie die Sahel-Zone auf Regen - ein wohliges, bebendes Stöhnen, das nur durch den geschlossenen Mund aufgefangen wird - der das Tramezzino aufzunehmen beginnt. Nach einigen Sekunden des ersten erotisierenden Schocks, der den Tiger ge-weckt hat, gleitet das urhafte »Habenwollen« in ein verfeinertes »Genießenkönnen« über - das kätz-chenhaftes Seufzen als äußeres Zeichen nach sich zieht.
    All das ist kein Wunder, sondern gehört zu den Realitäten des Lebens wie Sonne, Mond und Sterne - das einzig Verwunderliche ist, wie selten wir mit den Realitäten des Lebens in Kontakt kommen, die am Rande unseres Weges blühen und nur darauf warten, gepflückt zu werden.
    Ist nicht auch das ein offener Hinweis darauf, den Weg des Erlebbaren nicht blind zu durchhetzen - in der Absicht, ein vages Ziel in der Form eines Phantasiesandwiches zu erlangen, das angeblich in der Ferne auf uns warten soll?
    Ist denn nicht auch ein einfaches Tramezzino so glückbringend erleuchtend wie Buddha - den der Zen-Meister in einem Stock wiedererkennt, der auf der Straße liegt?
    Ganz besonders diese Art, die mit Lachs, Spargel und harten Eiern gefüllt ist - ich denke, die Antwort ist klar - noch dazu dann, wenn ich sage, daß es in dieser meiner Lieblingsbar zu diesem Lachstramezzino eine zarte, leichte Kräutermayonnaise gibt, die ich am liebsten in einem Eimer nach Hause tragen möchte.
    Falls es noch Zweifler geben sollte, kann ich eine kleine Geschichte erzählen, die im China des 8. Jahrhunderts nach Christus spielte.
    Eines Tages hörte der greise Kaiser Yu-Wang-He, der sein Leben der Suche nach der Erleuchtung gewidmet hatte, daß in einem kleinen Dorf an der Küste im Nor-den ein Zen-Meister entdeckt worden war, der sein Dasein als einfacher Fischer bestritt.
    Sofort entsandte Yu-Wang-He eine berittene Eskorte, um den Meister an seinen Hof bringen zu lassen.
    Der Kaiser wartete vier Wochen auf die Rückkehr seiner Gesandten aus dem Norden, aber kein Reiter wurde am Horizont sichtbar.
    Also sandte er erneut eine zweifach verstärkte Gruppe von Berittenen in den fernen Zipfel seines Reiches, und als auch diese Truppe und nach ihr noch eine dritte

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