Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
Vom Netzwerk:
über den offenen Mund den Duft des Essens besser wahrzunehmen und dadurch doppelt zu genießen. Aber Genuß ist verboten, und darum rücken die Leute von einem ab, wenn man das tut, was sie selbst auch am liebsten täten, denn das ist ja auch eine gefährliche Hochrechnung: Wenn einer beim Essen schmatzt und genießt, so wie kein anderer, dann lebt der ja auch vielleicht wie kein anderer und denkt ganz sicher nicht so wie ein anderer und ist in der logischen Konsequenz auch keine Stütze der Gesellschaft wie ein anderer und also potentieller Terrorist und in der Folge am besten gleich zu erschießen.
    Es ist schon einmal so: Nichts ist den eingesperrten Menschenherzen zu gering, um nicht daran zu erkennen, daß ein anderer begonnen hat, die Ketten abzuwerfen, die alle seit der ersten Kinderrassel zu tragen beginnen, und so ein Ausbruch muß sofort verhindert werden, denn wo einer ausbricht, folgen bald alle nach. Und wenn ganz Venedig beim Tramezini-Essen schmatzen wollte, würden die Gondolieri vergebens »La bella sole« singen.
    Es ist gewissermaßen die Weltverschwörung der Gondolieri, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Dinge so zu belassen, wie sie sind, damit ihr Gesang nicht im Jubel der befreiten Herzen untergeht.
    Der grauenhafteste Irrtum des Menschen ist nun mal eben, dem Strom des Lebens Dämme bauen zu wollen, und diese Dämme baut man nur aus der Furcht vor Bewegung, von der man nie weiß, ob sie ein Hochwasser wird oder eine Dürre.
    Die einzige Antwort auf diese Angst aber heißt: schwimmen lernen und laufen können!
    Der breitest angeschwollene Fluß trägt einen Fisch, und in dem trockensten Bachbett kann man zur nächsten Quelle laufen - wenn man aber immer aus Gründen der Sicherheit bei einem Staudamm hockt, bekommt man Muskelschwindsucht, und das Wasser wird brackig.
    Zu allem Überfluß bricht dann ja doch eines Tages die Böschung ein, weil sich kein Ding auf Erden jemals wirklich seine Lebendigkeit rauben läßt, und dann sind diejenigen bitter dran, die weder schwimmen noch laufen gelernt haben.
    Darum - ein Hoch auf alle Schmätzer, sie sind die Vorboten der Erlösung von den Fesseln des ausklingenden Jahrtausends - bei den Eskimos war das übrigens schon immer so.
    »Mein Gott - was denkst du denn die ganze Zeit« -sagte sie plötzlich in meine hellrosa Spiralen hinein, die hinter meiner Stirn zu schimmern begonnen hatten. »Ich denke, daß ich es mit dir auch in einem Iglu aus-halten würde«, sagte ich todernst und starrte sie an wie ein hypnotisierter Seelöwe, dem man eine Forelle vor die Nase hält.
    »Oh Gott - in einem Iglu, da müssen wir uns aber gegenseitig sehr wärmen, um das zu überleben - was?«
    »Ja« - nickte ich - »die Wärme ist das wichtigste in der Kälte.«
    »Jesus« - lachte sie - »hat dein Mineralwasser zuviel Zitronengehalt, oder ist dir zu heiß oder so?«
    »Nein - aber ich schmelze« - sagte ich und meinte damit die erstarrte Lava, die seit dem letzten Vulkanausbruch in meinem Leben um mein Herz lag wie die eingerostete Rüstung Don Quichottes.
    »Du schmilzt?«
    »Ja - ich schmelze« - sagte ich. »Ich habe in deiner Nähe die Gelassenheit, meinen Gedanken nachzugeben, ohne dabei Angst zu haben, daß du fortgelaufen bist, wenn ich daraus wieder auftauche.«
    »Aber warum sollte ich denn fortlaufen - ich kenne ja hier niemanden, der mir solche Tramezzinis zeigt.«
    »Lach nicht« - sagte ich - »alle Frauen laufen weg, wenn ein Mann sich einmal nicht um sie kümmert.«
    »Herr Peter Steiner?!« sagte sie und schenkte mir Wasser in mein Glas, das ich in der Aufregung in einem Zug geleert und vor sie auf den Tisch geknallt hatte.
    »Nein - das ist Martin Sterneck life«, schrie ich und handelte mir sofort eine verkleinernde Bemerkung einer Bus-Touristin ein, die feststellte, »daß noch andere Leute hier im Lokal sind«.
    » Sie gehören wohl auch zu denen, die Angst haben, zu ihrem eigenen Begräbnis zu spät zu kommen«, wollte ich eigentlich sagen, war mir aber der Würdelosigkeit dieses möglichen Zwistes durchaus bewußt und zog es daher vor, zu schweigen, besser gesagt, etwas leiser zu reden und die Bus-Touristin zu ignorieren.
    »Ich habe es doch am eigenen Leib erfahren«, flüsterte ich exaltiert über den Tisch gebeugt - »am eigenen Leib erfahren, was das heißt, die Werbung zu unterbrechen - warum glaubst du, ist es mit Susanne auseinandergegangen, nach zweieinhalb Jahren Ehe -warum wohl!?«
    »Du wirst es mir sagen.«
    »Ja - ich werde es dir

Weitere Kostenlose Bücher