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Butterschmalz zum Fruehstueck

Butterschmalz zum Fruehstueck

Titel: Butterschmalz zum Fruehstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Jursch
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Gepäck ist vorab verschickt worden, denn im Shinkansen muss man organisiert fahren. Alles muss schnell gehen. Man muss sich am Bahnsteig genau dorthin stellen, wo die Tür zum eigenen Waggon ist. Auf dem Bahnsteig sind entsprechende Markierungen angebracht. Und dann: rein, raus. Zack, zack. Herumhantieren mit Gepäck würde die Haltezeit verlängern, und ein Shinkansen hält exakt zwei Minuten. Und zwar auf die Sekunde. Trotz ihres eigenen Schienennetzes müssen sich die Züge aber mitunter überholen. Und da muss sich natürlich jeder Shinkansen an einer definierten Stelle befinden, wo ein Überholgleis ist. Zum Teil fährt der Shinkansen im Zehnminutentakt. Eine Verspätung würde nun dazu führen, dass der ganze Fahrplan zusammenbricht, und deswegen verspätet sich der Shinkansen schlicht und ergreifend nicht. Der Reiseleiter hat zum letzten Mal vor fünfzehn Jahren von einer Verspätung gehört.
    Wir steigen ein und nehmen Platz. Die Beinfreiheit ist sehr großzügig. Das liegt daran, dass der Platz gebraucht wird, um die Sitze zu drehen, sodass man immer in Fahrtrichtung sitzt. Ich bin ein bisschen enttäuscht. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber das Fahrgefühl ist wie beim ICE. Allerdings funktioniert alles und der Shinkansen ist auf die Sekunde pünktlich und von innen und außen strahlend sauber. Eine Frau fährt mit ihrem Servicewägelchen durch den Zug und verkauft Getränke und Knabbereien. In Osaka steigen wir um und fahren weiter nach Himeji, wo wir aussteigen.
    In dieser Stadt befindet sich die Silberreiherburg, eine uneinnehmbare Festung. Es gab in Japan viele uneinnehmbare Festungen, doch gegen Verrat und Erdbeben ist kein Kraut gewachsen. Die militärisch bedeutungslose Silberreiherburg hat jedoch derlei Unbill unbeschadet überstanden. Die Anlage ist sehr verschachtelt, die Tore werden immer kleiner und enger. In einem Garten blühen noch Kirschen. Eine spät blühende Sorte. Ich finde die Burg schön und gucke und gucke und vergesse die Zeit. Als ich wieder auf die Uhr schaue, meine ich, ich sollte mich gemütlich auf den Rückweg machen. Aber der Weg nach draußen ist auch so angelegt worden, dass er Feinde (und Touristen) verwirrt, sodass ich mit hechelnder Zunge zwei Minuten zu spät am Bahnhof ankomme, für japanische Verhältnisse fast unverzeihlich. Trotzdem kriegen wir noch unseren Zug, der uns nach Hiroshima bringt. Es ist schon dunkel, als wir dort ankommen und wir werden von Taxis ins Hotel gebracht. Nein, es ist kein Klischee, wenn man in Filmen Taxis mit Spitzenbezügen und Fahrer mit weißen Handschuhen sieht. Das ist hier wirklich so. Wir wohnen mitten in der Stadt und haben einen tollen Blick auf das Panorama. Die beleuchtete Stadt schmiegt sich an die Berghänge, und der Fluss ergießt sich als schwarzes, sich schlängelndes Band ins Meer.
    Abends treiben wir uns mit Mitreisenden in der Innenstadt herum und gehen in einer Garküche einen typischen Hiroshima-Pfannkuchen essen. Um eine Kochnische herum ist ein Tresen mit einem heißen und einem kalten Teil angeordnet. Der Fernseher läuft, Kartons sind überall gestapelt – pralles, ungekünsteltes Leben. Es ist sehr heiß, aber das Bier ist zum Glück kalt.
    Die Köchin verstreicht auf ihrer Platte für jeden von uns einen Klecks Pfannkuchenteig . Darauf kommt ein Berg Kohl und Sojasprossen. Nachdem alles ein bisschen eingedampft ist, kommen ein paar Scheiben Speck und Meeresfrüchte darauf. Parallel werden Nudeln auf der Platte gewärmt. Der Pfannkuchen wird umgedreht und die Nudeln werden drumherum gelegt. Dann wird ein Ei darübergeschlagen und das Ganze wieder umgedreht. Weil wir Ausländer sind, bekommen wir Teller. Die Japaner bekommen den Pfannkuchen einfach auf den kalten Teil des Tresens weitergeschoben. Ordentlich Sojasoße drauf und loslegen. Ein gesundes, sättigendes Mahl. Lecker? Sagen wir mal so: problemlos essbar.

6. November 2007

Tag der extremen Gegensätze
    Der Frühstückssaal unseres Hotels liegt im obersten Stockwerk, und man hat einen fantastischen Blick auf Hiroshima. Die Stadt liegt toll, in einem Flussdelta, umgeben von Bergen. Vom Hotel aus kann man den Friedenspark mit den kuppelförmigen Gebäudeüberresten von der Atombombe sehen.
    Wir laufen zur Straßenbahnhaltestelle und fahren etwa eine Stunde bis zur Endstation. Von dort nehmen wir die Fähre zur heiligen Insel Miyajima . Hier befindet sich ein Schreintor im Wasser, Japans beliebtestes Fotomotiv. Man sieht es schon von Weitem und es

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