Butterschmalz zum Fruehstueck
die Obdachlosen. Deswegen gibt es viele Schilder, die blaue Zelte verbieten. Allgemein ist die Obdachlosigkeit gering, wer aber erst mal da gelandet ist, kann kaum wieder zurück, auch dann nicht, wenn er wieder Anschluss an das bürgerliche Leben gefunden hat. So gibt es Männer, die morgens in ihren Anzug und ihre geputzten Schuhe steigen und abends wieder in ihr blaues Zelt schlafen gehen.
Kamakura mit seinen 100.000 Einwohnern liegt am Meer. Es gibt hier viele Surfer. Badeurlaub in unserem Sinne machen die Japaner kaum, die Strände sind nicht sonderlich gepflegt.
Auf dem Parkplatz am Kotoku -in Tempel darf der Bus nur eine halbe Stunde parken. Derartige Beschränkungen gibt es öfter. Die Japaner sind das gewöhnt, deshalb haken sie oftmals Kulturgüter in Rekordzeit ab. Die Buddhastatue ist sehr beeindruckend und fügt sich toll in die Landschaft ein. Ich könnte lange hier bleiben. Hier hat Buddha, wie auf so vielen Darstellungen, eine krisselige Frisur. Was da auf seinem Kopf sitzt, sind Schnecken. Als Buddha meditierend unter seinem Feigenbaum saß, beschlossen die Schnecken, seinen Kopf zu kühlen und ließen sich darauf nieder. Wenn das wirklich stimmt, muss Buddha sehr tief meditiert haben.
Wir werden weitergescheucht zum Hasedera -Tempel. Ein Mönch hat vor Urzeiten aus einem Kampferbaum zwei Kannons schnitzen lassen. Einen warf er ins Meer, und dort, wo er wieder auftauche, solle ein Tempel gebaut werden. So kam Kamakura zu diesem Tempel.
Die Kannon hat elf Köpfe. Einen normalen und zehn kleine Köpfe, die auf dem großen Kopf sitzen und in alle Richtungen blicken, damit sie überall das Leid erkennen und Trost spenden können. In der Nähe befindet sich eine Bibliothek, ein drehbares Büchergestell mit allen Büchern, die der gute Buddhist gelesen haben muss. Wenn er dafür keine Zeit hat, reicht es, die Bibliothek einmal zu drehen, dann nimmt man das Wissen auch so auf. Ganz ehrlich – bei mir funktioniert das nicht.
Neben verschiedenen anderen Gebäuden und einer Aussichtsterrasse, die einen großartigen Blick über Kamakura bietet, befindet sich hier noch der Jizo -Schrein, in dem über die Seelen der ungeborenen, d.h. abgetriebenen Kinder gewacht wird. In Japan war die Abtreibung schon immer gängig, die Pille war lange verboten und ist jetzt auch nur bei bestimmten Indikationen zulässig. Abtreibung ist eben ein gutes Geschäft, das man sich nicht von der Pharmaindustrie verderben lassen möchte. Die abgetriebenen Kinder haben nach japanischer Überzeugung eine Seele, die durch Rituale stabilisiert werden muss, damit sie Eingang in den Himmel findet. Das ist der Zweck des Jizo -Schreins, wo Abertausende kleiner Figuren aufgestellt sind.
Weiter geht es über die Küstenstraße nach Hakone . Auf der Straße steht in Abständen ein Warnschild, auf dem ein Wels abgebildet ist. Das heißt, dass diese Straße bei Erdbeben geschlossen wird. Ein Wels ist ein Fisch, der ruhig am Grunde des Wassers liegt. Nur ab und zu zuckt er mal. Die Bewohner Japans sehen ihr Land als Teil eines Welsrückens . Und wenn der zuckt, ist das alles andere als lustig. Die teilweise recht rüde Art, mit der die Japaner der Natur begegnen, rührt aus dem Elend her, das sie im Zuge ständiger Naturkatastrophen erleben. Nicht nur Erdbeben, auch Taifune und Tsunamis haben zusammen mit modernen Katastrophen wie Atombomben große Teile des Landes immer wieder platt gemacht. Deswegen haben viele Japaner eine feindliche Einstellung zur Natur und finden nichts dabei, Wale zu töten, Hunden Sonnenbrillen aufzusetzen, aggressiv Energie zu verschleudern und eine Einwegphilosophie zu betreiben, dass mir schwarz vor Augen wird. Alle Räume sind klimatisiert, Klobrillen sind beheizt, sogar in öffentlichen Toiletten. Und die Toilettensitze sind nicht warm, sondern eher so, dass ich fürchte, mich zu verbrennen. Alles wird zehntausendmal verpackt, und das wird regelrecht zelebriert. Alle zehn Meter ist ein Getränkeautomat aufgestellt, der heiße und kalte Getränke liefert. In dieser extremen Form habe ich das noch nirgendwo erlebt.
Auch der Buddha von Kamakura war ursprünglich von einer Halle umgeben, die im ausgehenden Mittelalter von einem Tsunami weggespült wurde. Seitdem steht Buddha im Freien.
Nun fahren wir also auf der Welsstraße entlang, weil die Erde nicht bebt. In Tokio wird seit zwanzig Jahren ein großes Beben erwartet. Im Moment bebt dort täglich die Erde ganz leicht, und man hofft sehr, dass sich auf diese Art und
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