Butterschmalz zum Fruehstueck
fügt sich idyllisch in die schroffen Berge ein. Es nieselt, wie so oft in Japan. Wenn das Wetter schön wäre, könnte man sogar den Badestrand von Miyajima besuchen.
Auf der Insel lebt handzahmes Damwild. Die Männchen sind enthornt . Nicht nur, um die Leute nicht zu gefährden, sondern weil das Geweih auch angeblich potenzfördernd ist und deshalb von der pharmazeutischen Industrie abgegriffen wird. Die Viecher gehen sehr liebevoll miteinander um. Den Menschen gegenüber sind sie aufdringlich und versuchen, einem Eintrittskarten und Stadtpläne aus der Tasche zu zupfen, um sie zu fressen.
Wir besichtigen den Itzukumina -Schrein und werden unsererseits von Japanern besichtigt, die dort ihr Gebet verrichten und zuvor zweimal klatschen, um die Götter zu wecken. Wenn die Flut kommt, steht auch der Schrein im Wasser. Jetzt, bei Ebbe, halten sich Rehe unter den Stelzen auf, und Krabben rasen wild umher.
Der Ort gilt als Touristenfalle, und ausnahmsweise gefällt mir das. Die japanische Nüchternheit ist hinter eine reizende Verspieltheit zurückgetreten. Die kleinen Häuschen sind mit liebevollen Details versehen, die Straßen und Wege sind gepflastert. Viele traditionelle Geschäfte stellen ihre Waren aus. Das hebt sich sehr von den bisherigen, architektonisch einförmigen und zweckmäßig gebauten Orten ab. Hier ist es richtig idyllisch. Rothenburg ob der Tauber auf Japanisch. Das Schönste, was ich bisher gesehen habe. Wir haben sogar das Glück, einen Kuli zu sehen, der eine Rikscha mit einem Hochzeitspaar zieht.
Ein Laden wird uns wärmstens ans Herz gelegt. Dort sollen die teuersten Koi -Karpfen leben. Hinter Glas ist ein japanischer Garten, in dem alles streng reglementiert wächst. Im Becken tummeln sich die Kois , und mir ist nicht ganz klar, wie man für so einen hässlichen Fisch, der sein Maul rüsselartig vorstrecken kann, so viel Geld bezahlen kann. Aber ich muss ja auch nicht alles verstehen.
Wir gehen in ein Restaurant, in dem man offensichtlich amerikanische Gäste gewöhnt ist und dort bekommen wir eine östlich-westliche Melange serviert. Wenn man von beiden Küchen das Beste nimmt, kommt was Tolles dabei raus. Ich esse gebratene Austern und finde es lustig, dass ich im Land des rohen Fisches etwas gebraten bekomme, was man in Europa nur roh bekommt.
Es gibt hier eine Spezialität: Waffeln, die mit süßem Bohnenmus gefüllt werden. In mehreren Manufakturen kann man zugucken, wie altmodische, mechanische Maschinen die Waffeln machen, die dann aufwendig wie Pralinen verpackt werden. Ich kaufe eine Packung für die Nachbarn, die unsere Katze versorgen, und kriege prompt Streit mit meinem Mann. Er meint, wenn ich denen so ein merkwürdiges Zeug mitbringe, passen sie nie mehr auf die Katze auf. Doch so schlimm sind die Waffeln selbst für den westlichen Geschmack nicht.
Es geht wieder zurück nach Hiroshima, und jetzt ist das Kontrastprogramm dran: Der Friedenspark zum Andenken an die Atombombe, die dort 1945 von den USA abgeworfen wurde, um den Weltkrieg zu beenden. Sie richtete aber Verheerungen an, die die Welt nicht nochmals so sehen wollte, was bisher glücklicherweise auch geklappt hat. Dort befindet sich eine Friedensglocke, die man für ausgelöschte Familien anschlagen soll, von denen niemand überlebt hat, der die Todesrituale ausführen kann. Die Seelen der Verstorbenen wären auf ewig verdammt, wenn nicht fremde Menschen die Rituale vollziehen würden. In der Nähe steht eine Säule. Sie ist ziemlich neu und ist dem Andenken der verstorbenen Koreaner gewidmet, die von den Japanern lange nicht zur Kenntnis genommen wurden und mit erheblicher Penetranz dafür kämpfen mussten, wahrgenommen zu werden, da Japaner sich über Jahrhunderte den Koreanern überlegen gefühlt haben. Nun haben die Koreaner endlich ihre Stele, man nimmt ihr Leiden zur Kenntnis.
Auch eine Statue mit einem Kind mit Kranich ist dabei. Sie ist einem Kind namens Sadako Sasaki gewidmet, stellvertretend für die vielen anderen durch die Bombe getöteten Kinder. Sadako war zwei Jahre alt, als die Bombe fiel. Zunächst blieb sie gesund, doch mit acht bekam sie Leukämie. Einer Überlieferung zufolge muss man 10.000 Papierkraniche falten, um gesund zu werden. Sadako schaffte etwas über 6.000 Stück, dann starb sie. Bis heute falten japanische Schüler Kraniche für die toten Kinder und bringen sie als Girlanden zum Denkmal. Am großen Mahnmal wimmelt es von Schulklassen, es ist schwarz vor Menschen. Die Schüler legen
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