By the way Greta
Leben. Und die Zeitverschiebung – damit lernt man eben umzugehen. Ja, es ist anstrengend und manchmal auch kräftezehrend, nervig und vielleicht sogar gesundheitsschädlich. Tja, aber auch das gehört jetzt zu meinem Leben.“ Greta hielt kurz inne, sah aber keinerlei Desinteresse in Mikes Gesichtszügen, also fuhr sie fort. „Aber die Chance zu haben, immer wieder in meine Lieblingsstadt zu kommen - nach New York - das ist eine wirklich tolle Sache. Die Menschen dort, die Unabhängigkeit, das Shopping, das Weggehen, die vielen Facetten, die es an jeder Ecke immer wieder neu zu entdecken gibt und sich immer wieder von der Stadt überraschen lassen zu können, der Free Spirit ... tja einfach Big Apple eben. Das ist alles etwas, das wirklich Spaß macht und etwas, das ich jetzt nicht missen möchte.“ Greta kam ins Schwelgen. „Auch die Annehmlichkeiten, günstig privat zu reisen, in schönen Hotels zu wohnen, ein stückweit Kosmopolit oder multikulturell zu leben, das alles schätze ich sehr. Es gibt mir das Gefühl, frei zu sein, meinen Geist zu erweitern und - ... wie sagt man so schön: 'Open minded' zu sein.“
Greta hielt inne und wartete Mikes Reaktion ab. Hatte sie sich zu weit geöffnet? Ist sie zu persönlich geworden? Hatte sie zu viel von sich offenbart?
Mike war ganz still geworden, hatte sie fokussiert und dann fühlte er sich ihr plötzlich nahe. Wie offen sie war, ging es ihm durch den Kopf. Wie ehrlich und unerschrocken von ihr, sich ihm, einem Fremden, einfach so zu öffnen. Und das ganz ohne tussig oder eingebildet rüberzukommen. Eins war jetzt schon klar: Er war von ihr fasziniert.
„Dann haben Sie ja einen echten Free Spirit, den Sie mit ihrem jetzigen Beruf ganz und gar ausleben können.“ Er sah sie einen Moment lang an und sah eine Frau, wahrscheinlich Ende zwanzig, dunkelbraune Haare, wahrscheinlich lang und wellig, jetzt aber zu einem Knoten im Nacken gebunden. Greta Mayfield war groß gewachsen, hatte lange, schön geformte Beine, die unter dem dunkelblauen Rock hervortraten; sie war sportlich, mit Busen – zumindest was sich unter der Uniform abzeichnete, wohl 34B -, kurz: eine Frau, die selbstbewusst, natürlich und authentisch war. Was er sah, gefiel ihm.
Er versuchte, sich Greta in ihren privaten Klamotten vorzustellen: Was war sie wohl für ein Typ? Eher klassisch, die Blazer-und-Ballerina-Schuhe-Frau? Oder doch Boots und Lederjacke? Der rockige Typ? Oder der Naturtyp mit Birkenstocks und Blümchenkleid ...? Mikes Phantasie bereitete ihm gerade eine schöne Reise in die verschiedenen möglichen Optiken von Greta.
Greta riss ihn aus seiner Phantasiereise heraus. „Was machen Sie in New York - außer ihren Freund in einem tollen Lokal zu treffen?“
„Oh“, entgegnete Mike, "ich bin Webdesigner und immer wieder für meine Kunden in New York unterwegs. Eigentlich bin ich sogar öfter in New York und in den USA unterwegs als in Europa. Hat sich irgendwann mal so ergeben, als ich meinen ersten Kunden in New York hatte. Und das war dann fast wie ein Schneeballsystem - es kam immer noch einer dazu und ich konnte es zum Schluss fast gar nicht mehr aufhalten. Schließlich hab ich mich entschlossen, hier eine Wohnung zu nehmen. Dank meiner Greencard war es auch gar kein Problem hier zu bleiben und zu arbeiten.“
„Ah, Sie haben eine Greencard. Das ist ja ein echter Luxus. Dann sind Sie gar nicht gebürtiger Amerikaner?"
„Ja, genau so ist es. Mein Vater ist Amerikaner.“
Er lächelte sie an, zuckte die Schultern, was nur bedeuten sollte: So ist das Leben.
Kapitel 5
Eine Durchsage aus dem Cockpit unterbrach ihr Gespräch:
„Sehr geehrte Damen und Herren, hier ist Ihr Kapitän. Wir haben soeben vom Boden erfahren, dass wir auf einen Hurrikan zusteuern. Bitte machen Sie sich keine Sorgen, wir werden diesen weit umfliegen. Sie werden aber die einmalige Chance haben, dieses Naturspektakel aus dem Fenster in sicherem Abstand zu beobachten. In jedem Fall werden wir Sie hierzu unterrichten, wenn der Hurrikan sichtbar ist. Leider verzögert sich damit unsere Ankunftszeit um etwa fünfundvierzig Minuten. Um Ihre Sicherheit zu gewährleisten, bitte wir Sie, sich jetzt anzuschnallen und Ihren Sitzplatz nicht zu verlassen. Der Service wird eingeschränkt fortgeführt.“
Mikes Gesichtsausdruck hatte sich schlagartig verändert: Stirnfalten, niedergeschlagene Augenlider, der Mund leicht geöffnet. Die Schultern nach oben gezogen machte er fast einen ängstlichen
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