BY704 - Der Rächer aus Sing-Sing
nach. Dann wandte er sich mit einem Ruck um und lief die Freitreppe hinauf. Oben stieß er fast mit dem spindeldürren Killer zusammen.
»Was ist los, Boß?« wollte der Albino wissen. »Was bedeutet das?«
Arturo Bosco keuchte. Wütend wischte er sich das ölige Haar aus der Stirn. »Hör zu, Cummings!« stieß er durch die Zähne. »Schnapp dir ein paar Männer und folge dem Krüppel, der eben weggefahren ist. Bring ihn her! Aber bring ihn lebend!« Der Albino nickte und winkte dem Gorilla, der die Treppe hinunterwalzte.
Arturo Bosco sah ihnen nach. Seine Augen funkelten böse. »Harry Schreiber war der erste«, murmelte er vor sich hin. »Jetzt kommt Hillary selbst an die Reihe! Ich werde ihnen zeigen, wer Arturo Bosco ist! Ich werde es allen zeigen!«
***
An diesem Tag saßen wir auf unseren Schreibtischsesseln und kombinierten. Wir hatten herausgefunden, daß zwischen dem Tod von Doreen Kingston-West und dem Mord an Harry Schreiber ein Zusammenhang bestand: Das junge Mädchen und der Killer waren mit derselben Waffe erschossen worden!
»Du machst ein Gesicht wie Sherlock Holmes«, spottete Steve Dillaggio, der mir gerade berichtet hatte, daß dem toten Killer Harry Schreiber das fehlte, was man uns zugeschickt hatte: eine Hand. Und daß Schreibers Mörder weder Fingerprints noch irgendwelche Spuren hinterlassen hatte.
»Unser einziger Hinweis ist der Absender auf dem Päckchen«, stellte Phil fest.
»Ja«, ergänzte ich, »ein Name ohne Adressenangabe, deutlich mit Filzstift geschrieben. Glaubt einer von euch im Ernst, daß der wirkliche Mörder so dumm wäre, seinen Namen als Absender auf dem Paket mit Harrys Hand zu hinterlassen?«
»Die Dummen sterben nicht aus«, stellte Steve Dillaggio fest und fuhr etwas ernster fort: »Vielleicht handelt es sich um einen Wahnsinnigen?«
»Oder um einen Mann, der uns auf eine falsche Spur locken will«, mutmaßte Phil. »Es wäre zwar lächerlich plump, aber…«
In diesem Augenblick trat Peiker, unser Zeichner, ein. Wir hatten ihn gebeten, auf einen Sprung heraufzukommen. Peiker verstand es nicht nur, mit verblüffender Treffsicherheit Porträts nach Zeugenaussagen herzustellen. Er verfügte auch über ein phänomenales Gedächtnis und konnte die Gesichter fast aller Gangstergrößen aus dem Kopf skizzieren. »Hallo!« grüßte er. »Was gibt’s denn?«
»Kennst du einen Mann namens Kitt Hillary?« fragte ich.
Kitt Hillary — das war der Name, den wir als Absender auf unserem Päckchen gefunden hatten. Peiker überlegte. »Kommt mir bekannt vor. Moment mal!« Dann nickte er befriedigt. »Jetzt hab’ ich’s. Der Bursche hatte mal mit Heroin und Mädchenhandel zu tun…«
»Mädchenhandel?« Ich horchte auf. »Bist du sicher, daß Hillary etwas mit Mädchenhandel zu tun hatte?« fragte ich.
»Ja, ich glaube. Das ist aber schon eine Ewigkeit her. Soviel ich weiß, ist der Bursche lebenslänglich ins Zuchthaus gewandert.«
»Kannst du sein Porträt zeichnen?«
»Klar. Wenn ihr mir ein Stück Papier gebt.«
Ich schob ihm Papier und Bleistift hin. Dann griff ich zum Telefon und ließ mich mit dem Archiv verbinden.
Fünf Minuten später wußte ich, daß Kitt Hillary wieder in Freiheit war.
»Er ist vor 20 Jahren durch einen anonym gebliebenen Spitzel verpfiffen und sofort verhaftet worden«, berichtete ich. »Man konnte ihm nachweisen, daß er zwei junge Mädchen gekidnappt und unter Drogen gesetzt hatte. In einem Fall war ihm auch ein Erpressungsversuch bei dem Vater des Girls nachzuweisen. Wie er arbeitete und wer seine Komplicen waren, ist nie genau geklärt worden.«
»Wieso haben sie ihn begnadigt?« fragte Phil dazwischen.
»Man hält ihn für harmlos. Er hat eine verkrüppelte Hüfte und muß am Stock gehen.«
»Und du glaubst…«
Ich biß mir auf die Lippen. »Etwas stimmt an der Sache nicht. Das klingt mir zu einfach. Der Mann ist erst vor ein paar Tagen aus dem Zuchthaus entlassen worden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er in so kurzer Zeit wieder in sein altes Geschäft eingestiegen ist und gleich zwei Menschen ermordet. Und nun noch dieses Päckchen! Das reimt sich zu gut zusammen, viel zu gut.« Ich schüttelte energisch den Kopf. »Nein, als Täter kommt Kitt Hillary nicht in Frage.«
»So etwa.« Peiker schob uns das Blatt hin. »Ich habe ihn zwar nur vor 20 Jahren gekannt, aber bitte sehr, so dürfte er heute aussehen.«
Einen Augenblick betrachtete ich schweigend die Zeichnung. Sie zeigte ein schmales Gesicht, aufmerksame Augen
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