BY704 - Der Rächer aus Sing-Sing
Hände umkrallten die Tischplatte. Gehetzt blickte sie sich um.
Mit einem tückischen Grinsen im Gesicht schwankte Bosco auf sie zu.
Cheryl wich noch einen Schritt weiter zurück. Sie war gelähmt vor Entsetzen. Ihre grünen Augen flackerten. Halb ohnmächtig vor Angst, sah sie Bosco näher kommen, hörte sein rauhes Kichern, fühlte seinen Arm, der sich brutal um ihre Taille legte und sie nach vorn riß.
Da fiel ihr Blick auf die Ginflasche, die auf dem Tisch stand.
Zitternd fanden ihre Finger die Flasche und schlossen sich um den Hals. Sie hob den Arm, kniff die Augen zusammen und ließ die Flasche mit voller Wucht auf Arturo Boscos Kopf niedersausen.
Der Gangster brüllte auf wie ein Stier.
Die Flasche war in tausend Scherben zersplittert. Von einer Platzwunde lief Blut über Boscos Stirn. Er taumelte drei Schritte zurück, sank in die Knie und polterte gegen die Tür.
Aber bevor Cheryl irgend etwas unternehmen konnte, stemmte er sich wieder auf die Beine.
Sekundenlang stand er vor ihr wie ein schwankender Koloß. Er starrte sie aus hervorquellenden Augen an, mit einem Blick, in dem der gierige Ausdruck nackter brutaler Wut gewichen war.
»Du Kröte!« gurgelte er. »Du verdammte Kröte!« Dann hob er den Arm.
»Nicht!« schrie Cheryl auf.
Aber da zuckte seine Faust schon vor.
Der Schlag traf sie mitten ins Gesicht. Sie schrie noch einmal auf, halb erstickt jetzt, taumelte durch den Raum und stürzte Über einen Sessel. Zitternd, das Gesicht in das Polster gepreßt, blieb sie liegen.
»So!« knurrte Arturo Bosco befriedigt. »Das wirst du dir merken.«
Dann drehte er sich um, stampfte hinaus und schloß die Tür hinter sich ab.
Cheryl Kents Körper wurde von Schluchzen geschüttelt. Ihr Kopf dröhnte, als hätte man sie mit einem schweren Hammer geschlagen. Minutenlang drückte sie sich tief in den Sessel hinein, umkrampfte die Lehne mit den Händen und weinte hemmungslos.
Dann, ganz langsam, fand sie ihre Selbstbeherrschung wieder. Stöhnend richtete sie sich auf, und betrachtete ihr Gesicht.
Ihr Mund war verquollen. Aus einer Platzwunde sickerte Blut. Cheryl feuchtete das Handtuch an, betupfte ihre Lippen und wischte sich die Wimperntusche und die Make-up-Flecken aus dem Gesicht. Wut stieg in ihr auf, eine wohltuende Wut, die sofort ihr Befinden besserte.
Sie mußte etwas unternehmen, um hier rauszukommen.
Sie ging zum Fenster und öffnete es, sah eine halbe Minute lang in den Park hinaus und atmete tief die kühle Abendluft ein. Das Fenster war nicht vergittert. Aber es lag im 3. Stockwerk. Sie würde sich alle Knochen brechen, wenn sie versuchte hinunterzuspringen.
Schon wollte sie den Kopf wieder zurückziehen, da fiel ihr Blick auf den schmalen Sims, der unter dem Fenster entlanglief.
Entschlossen schwang sie sich auf die Fensterbank.
Einen Augenblick lang mußte sie die Augen schließen. Dann hangelte sie mit den Beinen, bis sie den Sims erreicht hatte, und begann, dicht an die Mauer gepreßt, sich nach links vorzutasten.
Das nächste Fenster war weit geöffnet. Der Raum dahinter mußte neben dem Zimmer liegen, in das sie eingesperrt gewesen war. Licht fiel nach draußen. Sie konnte Stimmen hören.
Dann stand sie dicht am Fenster und spähte vorsichtig durch einen Spalt im Vorhang.
Zwei Männer waren im Raum. Der eine war Little Ben. Er lehnte an einem Sideboard und hielt ein Glas in der Hand. Den anderen kannte sie noch nicht: ein schmalbrüstiger, dürrer Albino mit unangenehmer Fistelstimme. »Soll er nur kommen!« tönte er gerade. »Wir werden ihm einen Empfang bereiten, daß ihm Hören und Sehen vergehen.«
»Er wird kommen«, sagte Little Ben. »Hillary ist ein Fuchs. Aber das macht mir kaum Sorgen. Ich möchte wissen, wie die Bullen an meine Adresse gekommen sind. Und wieso dieser verdammte G-man allein gekommen ist, ohne Rückendeckung.«
»Bist du sicher, daß dir niemand heimlich gefolgt ist?«
»Ganz sicher! Ich bin kein Anfänger.« Little Ben trank sein Glas leer und setzte es ab. Er gähnte.
In diesem Augenblick schrillte das Telefon.
Cheryl hörte eine Stimme ein paarmal »Ja!« brummen.
Dann fistelte der Albino: »Der Boß will uns sprechen.«
Schritte entfernten sich. Die Tür klappte zu. Dann war es still.
Cheryl Kent wartete ein paar Sekunden. Sie lauschte mit angehaltenem Atem, ehe sie sich auf die Fensterbank schwang und den Vorhang zurückschob. Erleichtert kletterte sie in das Zimmer.
Außer dem weißen Sideboard und einer Sitzgruppe stand ein
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