Byrne & Balzano 1: Crucifix
betrat den Crystal-Coffee-Shop, der Tag und Nacht geöffnet hatte; morgens hatte er ihn häufig mit Jimmy aufgesucht. Die Stammgäste waren bedrückt. Sie hatten die Nachricht schon vernommen. Byrne nahm sich eine Zeitung und einen großen Kaffee und fragte sich, ob er jemals wieder hierher kommen würde. Als er den Coffee-Shop verließ, sah er jemanden, der sich gegen seinen Wagen lehnte.
Es war Jessica.
Byrne freute sich unbändig, sie zu sehen.
Diese Frau, dachte er. Diese Frau ist in Ordnung.
»Hi«, sagte sie.
»Hi.«
»Das mit deinem Partner tut mir Leid.«
»Danke«, sagte Byrne und rang um Fassung. »Jimmy war ein ganz besonderer Mensch. Du hättest ihn gemocht.«
»Kann ich etwas für dich tun?«
Sie hat eine nette Art, dachte Byrne. Ihre Frage hörte sich ehrlich an und nicht wie der Mist, den die Leute nur pro forma faselten.
»Nein«, erwiderte Byrne. »Ich hab alles im Griff.«
»Wenn du den Tag heute lieber freimachen möchtest …«
Byrne schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Sicher?«
»Hundertprozentig.«
Jessica reichte ihm den Rosarium -Brief.
»Was ist das?«, fragte Byrne.
»Ich glaube, das ist der Schlüssel zur Gedankenwelt unseres Killers.«
Jessica erklärte ihm in kurzen Worten, was sie erfahren hatte, und teilte ihm einige Details über ihr Treffen mit Eddie Kasalonis mit. Während ihres Berichts beobachtete sie Byrnes Reaktionen. Zwei waren besonders interessant.
Anerkennung für ihre Arbeit als Detective.
Und was noch wichtiger war: Entschlossenheit.
»Es gibt da jemanden, mit dem wir sprechen sollten, ehe wir das Team einweisen«, sagte Jessica. »Er kann uns alles genau erklären.«
Byrne drehte sich um und warf einen letzten Blick auf Jimmy Purifys Haus. Dann drehte er sich wieder um und sagte: »Okay. An die Arbeit.«
Sie saßen mit Vater Corrio an einem kleinen Tisch am Fenster bei Anthony’s, einem Café in der Neunten in South-Philly.
»Insgesamt gibt es zwanzig Mysterien des Rosenkranzes«, sagte Vater Corrio. »Sie werden in vier Gruppen unterteilt: die freudenreichen, die schmerzhaften, die glorreichen und die lichtreichen.«
Die Möglichkeit, dass der Täter zwanzig Morde plante, entging niemandem am Tisch. Vater Corrio jedoch schien nicht daran zu glauben.
»Streng genommen«, fuhr er fort, »sind die Mysterien bestimmten Wochentagen zugeordnet. Der glorreichen Mysterien wird am Sonntag und Mittwoch gedacht, der freudenreichen am Montag und Samstag, der lichtreichen Mysterien, die relativ neu sind, am Donnerstag.«
»Was ist mit den schmerzhaften?«, fragte Byrne.
»Der schmerzhaften Mysterien wird am Dienstag und Freitag gedacht. Während der Fastenzeit sonntags.«
Jessica rechnete im Stillen nach und zählte bis zu dem Tag zurück, als sie Bethany Price gefunden hatten. Es passte nicht in dieses Schema.
»Die Mehrzahl der Mysterien sind Grund zur Freude«, sagte Vater Corrio. »Sie beinhalten Mariä Verkündigung, die Taufe Jesu, die Himmelfahrt, die Auferstehung. Nur die schmerzhaften Mysterien haben mit Leid und Tod zu tun.«
»Und es gibt nur fünf schmerzhafte Mysterien, nicht wahr?«, fragte Jessica.
»Ja«, bestätigte Vater Corrio. »Aber merk dir, dass der Rosenkranz nicht allgemein akzeptiert wird. Es gibt Gegner.«
»Warum?«, fragte Jessica.
»Die Gegner sind der Meinung, der Rosenkranz sei nicht ökumenisch.«
»Was bedeutet das?«, fragte Byrne.
»Der Rosenkranz wird zu Ehren Marias gebetet«, erklärte Vater Corrio. »Er verehrt die Mutter Gottes. Einige Leute meinen, dass die betrachtende Art des Gebets zu Ehren Marias Christus nicht lobpreist.«
»Und wie passt das zu dem, was wir hier haben?«
Vater Corrio zuckte die Schultern. »Vielleicht glaubt der Mann, den ihr sucht, nicht an den jungfräulichen Zustand Marias. Vielleicht beabsichtigt dieser Geisteskranke, diese Mädchen Gott im Zustand der Unberührtheit zurückzugeben.«
Der Gedanke jagte Jessica einen kalten Schauer über den Rücken. Wenn das sein Motiv war, stellte sich die Frage, wann der Irre mit dem Morden aufhören würde und aus welchem Grund.
Jessica griff in ihre Mappe und zog die Fotos von Bethany Prices Handfläche mit den Ziffern 7 und 16 heraus. »Sagen Ihnen diese Zahlen etwas?«, fragte sie.
Vater Corrio setzte seine Brille auf und betrachtete die Fotos. Als er die Löcher sah, die mit einem Bohrer durch die Hände des Mädchens gebohrt worden waren, zuckte er zusammen.
»Das könnte vieles bedeuten«, sagte Vater Corrio. »Auf Anhieb fällt
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