Byrne & Balzano 1: Crucifix
staubte Kamera und Stativ ab.
»Schauen wir uns das mal an«, sagte Campos und streifte Latexhandschuhe über. Er kniete sich neben den Couchtisch und nahm die Computermaus in die Hand, die mit Closes Laptop verbunden war. Er öffnete das Foto-Programm. Es waren sechzehn Fotos, die alle denselben Titel trugen und fortlaufend nummeriert waren: KEVINBYRNE1.JPG, KEVINBYRNE2.JPG, und so weiter. Aber auf keinem der Fotos war etwas zu erkennen. Es sah aus, als wären sie alle durch ein Malprogramm gelaufen und mit einem Zeichentool unkenntlich gemacht worden – ein Zeichentool, mit dessen Hilfe die Bilder rot angemalt worden waren.
Campos und Lauria schauten Byrne an. »Man wird dir Fragen stellen, Kevin«, sagte Campos.
»Ich weiß«, entgegnete Byrne. Sie würden wissen wollen, wo er in den letzten vierundzwanzig Stunden gewesen war. Keiner von ihnen verdächtigte ihn, aber die Sache musste aus der Welt geschafft werden. Byrne kannte natürlich die Vorgehensweise. »Ich werde eine Erklärung abgeben, sobald ich ins Roundhouse zurückgekehrt bin.«
»Kein Problem«, sagte Lauria.
»Steht die Todesursache schon fest?«, fragte Byrne, der froh war, dass er das Thema wechseln konnte.
Campos stand auf und stellte sich hinter das Opfer. Unten an Simon Closes Hals war ein kleines Loch. Vermutlich war ihm die Wunde mit der Spitze eines Bohrers zugefügt worden.
Als die Spurensuche mit ihrer Arbeit begann, stand fest, dass derjenige, der Closes Augen zugenäht hatte – und es gab wenig Zweifel, wer es gewesen war –, sich nicht besonders viel Mühe gegeben hatte. Der dicke schwarze Faden durchstach abwechselnd die weiche Haut des Augenlides und die Wange. Mit den dünnen Blutrinnsalen, die sein Gesicht bedeckten, ähnelte er Christus am Kreuz.
Haut und Fleisch waren fest zusammengenäht, sodass das weiche Gewebe rund um Closes Mund gestrafft worden war und seine Schneidezähne entblößt wurden, doch Unter- und Oberkiefer waren zusammengepresst.
Byrne, der einen Schritt entfernt stand, sah, dass etwas Schwarzes, Glänzendes hinter den Vorderzähnen hervorblinzelte.
Er nahm einen Stift und zeigte ihn Campos. »Mach mal«, sagte dieser.
Byrne schob den Stift zwischen Simon Closes Zähne und drückte die Kiefer auseinander. Im ersten Augenblick schien der Mund leer zu sein, und es sah so aus, als hätte Byrne sich geirrt.
Dann fiel eine kleine Perle aus Closes Mund heraus, rollte über dessen Brust, auf seinen Schoß und auf den Boden.
Und fiel mit leisem Klicken auf den Hartholzboden.
Jessica und Byrne starrten fassungslos auf die Perle, bis sie ausrollte.
Sie sahen sich an und erkannten gleichzeitig, was dieser Fund bedeutete. Eine Sekunde später fielen die vermissten Perlen der Rosenkränze wie Münzen aus einem Spielautomaten aus dem Mund des Toten.
Zehn Minuten später hatten sie die Perlen gezählt und vorsichtig jede Berührung der Oberflächen vermieden, weil sie Angst hatten, eventuelle Abdrücke zu verwischen, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass der Rosenkranz-Killer sich in dieser Phase selbst verriet, äußerst gering war.
Sie zählten zweimal, um ganz sicher zu sein. Alle hier Anwesenden wussten, was die Anzahl der Perlen, die in Simon Closes Mund gestopft worden waren, bedeutete.
Es waren fünfzig Perlen. Alle fünf Gebetsabschnitte.
Und das bedeutete, dass der Rosenkranz für das letzte Mädchen in diesem wahnsinnigen Passionsspiel schon vorbereitet war.
61.
Freitag, 13.25 Uhr
G egen Mittag wurde Brian Parkhursts Ford Windstar in einer Garage ein paar Blocks von dem Gebäude entfernt entdeckt, in dem sie seinen Leichnam gefunden hatten. Die Spurensuche hatte den Van vollkommen auseinander genommen. Es gab keine Blutspuren und keinerlei Hinweise, dass eines der Opfer in dem Fahrzeug transportiert worden war. Der Teppich im Wagen war bronzefarben, und das Material entsprach nicht den Fasern, die man bei den Opfern sichergestellt hatte.
Im Handschuhfach lagen die üblichen Dinge: Zulassung, ein Handbuch, ein paar Straßenkarten.
Das Interessanteste war der Brief, der hinter der Sonnenblende klemmte und in dem zehn mit der Schreibmaschine getippte Mädchennamen standen. Vier der Namen waren der Polizei bereits bekannt: Tessa Wells, Nicole Taylor, Bethany Price und Kristi Hamilton.
Der Umschlag war an Detective Jessica Balzano adressiert.
Es bestanden kaum Zweifel, dass das nächste Opfer des Killers eines der sechs anderen Mädchen sein würde.
Warum diese Namen
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