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Byrne & Balzano 1: Crucifix

Byrne & Balzano 1: Crucifix

Titel: Byrne & Balzano 1: Crucifix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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und weil sie keine Entscheidungen über die weitere Vorgehensweise treffen wollte.
    Einen Moment später stieg sie wieder ein paar Stufen hinunter und spähte in den Keller. Kevin Byrne beugte sich mit geschlossenen Augen über den Leichnam des jungen Mädchens. Er strich über die Narbe über seinem rechten Auge, ließ die Arme sinken und faltete die Hände.
    Kurz darauf öffnete er die Augen, bekreuzigte sich und ging auf die Treppe zu.
     
    Auf der Straße hatten sich noch mehr Menschen versammelt, Schaulustige, die von dem Blaulicht wie Motten angezogen worden waren. In diesem Teil Nord-Philadelphias waren Kapitalverbrechen keine Seltenheit; dennoch zogen sie die Anwohner immer wieder in ihren Bann.
    Byrne und Jessica verließen das Haus und gingen zu dem Zeugen, der die Leiche gefunden hatte. Obwohl es ein trüber Tag war, begrüßte Jessica dankbar das Tageslicht, als hätte sie Stunden in dem feuchtkalten Grab zugebracht.
    Das Alter von DeJohn Withers war schwer einzuschätzen. Jessica vermochte nicht zu sagen, ob er vierzig oder sechzig war. Der Obdachlose hatte keine Zähne mehr im Unterkiefer und nur noch wenige im Oberkiefer. Er trug fünf oder sechs Flanellhemden übereinander und eine schmutzige Cargohose, deren Taschen mit geheimnisvollen Schätzen voll gestopft waren.
    »Wie lange muss ich noch hier bleiben?«, fragte Withers.
    »Haben Sie dringende Verpflichtungen?«, fragte Byrne.
    »Mit Ihnen spreche ich nicht. Ich habe meine Bürgerpflicht getan, und zum Dank werde ich wie ein Verbrecher behandelt.«
    »Ist das Ihr Haus, Sir?«, fragte Byrne und zeigte auf den Fundort.
    »Nein«, erwiderte Withers. »Ist es nicht.«
    »Dann haben Sie sich des Einbruchs und des unbefugten Betretens schuldig gemacht.«
    »Ich bin nirgends eingebrochen.«
    »Aber Sie haben das Haus betreten.«
    Withers dachte fieberhaft nach, um den Unterschied zwischen Einbrechen und unbefugtem Betreten zu ergründen, was ihm allerdings nicht gelang. Er schwieg.
    »Gut, ich werde über diese schwer wiegenden Delikte hinwegsehen, wenn Sie mir ein paar Fragen beantworten«, sagte Byrne.
    Withers gab sich geschlagen und starrte auf seine Schuhe. Jessica sah, dass er am linken Fuß einen zerschlissenen, schwarzen, knöchelhohen Turnschuh und am rechten einen Nike Air trug.
    »Wann haben Sie die Leiche gefunden?«, fragte Byrne.
    Withers zog das Gesicht in Falten. Er schob die Ärmel seiner zahlreichen Hemden hoch und entblößte dünne, schorfige Arme. »Sehe ich aus, als hätte ich ‘ne Uhr?«
    »War es hell oder dunkel?«, fragte Byrne.
    »Hell.«
    »Haben Sie die Tote berührt?«
    » Was?« , schrie Withers empört. »Ich bin doch nicht pervers!«
    »Beantworten Sie nur meine Fragen.« Withers verschränkte die Arme und wartete einen Moment.
    »Nein. Hab ich nicht.«
    »War jemand bei Ihnen, als Sie die Tote gefunden haben?«
    »Nein.«
    »Haben Sie hier jemanden gesehen?«
    Withers lachte; sein Atem strich Jessica ins Gesicht. Wenn man ranzige Mayonnaise mit altem Eiersalat und verfaultem Fisch vermischt hätte, hätte es noch ein bisschen besser gerochen. »Wer kommt denn schon hierher !«
    Gute Frage.
    »Wo wohnen Sie?«, fragte Byrne.
    »Im Augenblick im Four Seasons«, erwiderte Withers, »Präsidentensuite.«
    Byrne unterdrückte ein Lachen. Sein Stift schwebte über dem Notizblock.
    »Ich wohne im Haus der Brüder«, fügte Withers hinzu. »Wenn die dort Platz haben.«
    »Ich muss noch einmal mit Ihnen sprechen.«
    »Ich weiß. Ich weiß. >Verlassen Sie die Stadt nicht<, ja?«
    »Das wäre nett.«
    »Gibt’s ‘ne Belohnung?«
    »Nur im Himmel«, sagte Byrne.
    »Ich komme nicht in den Himmel«, entgegnete Withers.
    »Vielleicht können Sie sich verlegen lassen, wenn Sie ins Fegefeuer kommen«, schlug Byrne vor. Withers schaute ihn finster an.
    »Wenn Sie ihn ins Roundhouse bringen, damit er seine Aussage machen kann, durchsuchen Sie ihn genau und nehmen Sie alles zu Protokoll, was er bei sich trägt«, sagte Byrne zu Davis. Verhöre und Zeugenaussagen wurden im Roundhouse vorgenommen. Verhöre von Obdachlosen dauerten normalerweise nicht lange; das hatte vor allem mit der Angst der Ermittler vor Läusen zu tun, denn die Verhörräume waren winzig klein.
    Officer J. Davis musterte Withers von oben bis unten. Ihre Miene besagte: Ich muss diesen Haufen Dreck anfassen?
    »Und vergessen Sie die Schuhe nicht«, fügte Byrne hinzu.
    Withers wollte gerade widersprechen, als Byrne eine Hand hob. »Wir geben Ihnen ein neues Paar, Mr

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