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Byrne & Balzano 1: Crucifix

Byrne & Balzano 1: Crucifix

Titel: Byrne & Balzano 1: Crucifix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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Woche?«
    »Ja«, sagte Parkhurst. »Sie kam ins Büro, um sich nach den Bewerbungen fürs College zu erkundigen.«
    »Was können Sie uns über Tessa erzählen, Dr. Parkhurst?«
    Brian Parkhurst dachte nach. »Sie war sehr intelligent. Und ziemlich ruhig.«
    »Eine gute Schülerin?«
    »Sehr gut. Sie schrieb fast nur Einser und Zweier, wenn ich mich recht erinnere.«
    »War sie am Freitag in der Schule?«
    Schwester Veronique tippte wieder etwas ein. »Nein.«
    »Um wie viel Uhr beginnt der Unterricht?«
    »Um zehn vor acht«, sagte Parkhurst.
    »Und wann ist er zu Ende?«
    »Normalerweise um zwei Uhr fünfundvierzig«, sagte Schwester Veronique. »Wenn die Schülerinnen innerhalb oder außerhalb der Schule an Arbeitsgemeinschaften teilnehmen, kann sich das mitunter bis siebzehn oder achtzehn Uhr hinziehen.«
    »Nahm Tessa Wells an einer Arbeitsgemeinschaft teil?«
    Schwester Veronique tippte wieder etwas ein. »Sie gehörte einem Barockensemble an, eine kleine AG für klassische Musik. Aber die AG trifft sich nur alle zwei Wochen. In der letzten Woche fanden keine Proben statt.«
    »Trifft die AG sich hier in der Schule?«
    »Ja«, sagte Schwester Veronique.
    Byrne wandte sich wieder Dr. Parkhurst zu. »Können Sie uns sonst noch etwas über Tessa sagen?«
    »Ihr Vater ist sehr krank. Ich glaube, er leidet an Lungenkrebs.«
    »Lebt er zu Hause?«
    »Ich glaube, ja.«
    »Und ihre Mutter?«
    »Sie ist verstorben.«
    Schwester Veronique reichte Byrne den Ausdruck mit Tessas Adresse.
    »Wissen Sie, ob sie Freundinnen hatte?«, fragte Byrne.
    Brian Parkhurst dachte über die Frage nach, ehe er sie beantwortete. »Auf Anhieb … hm … fällt mir niemand ein. Ich werde mich umhören.«
    Die ein wenig zögernde Antwort des Schulpsychologen entging Jessica nicht. Wenn Kevin Byrne so gut war wie sein Ruf, war es auch ihm nicht entgangen.
    »Wir kommen im Laufe des Tages wahrscheinlich noch einmal her.« Byrne reichte Parkhurst seine Karte. »Falls Ihnen inzwischen etwas einfallen sollte, rufen Sie uns bitte an.«
    »Auf jeden Fall«, versprach Parkhurst.
    »Danke, dass Sie uns Ihre Zeit geopfert haben«, sagte Byrne zu den beiden Lehrern.
    Als sie auf dem Parkplatz waren, sagte Jessica: »Ein bisschen viel Eau de Cologne für diese frühe Stunde, findest du nicht?« Brian Parkhurst hatte Polo Blue aufgetragen. Und zwar ziemlich stark.
    Byrne zuckte die Schultern. »Warum sollte ein Mann über dreißig nicht gut riechen, wenn er von einem Schwarm junger Schülerinnen umgeben ist?«
    »Gute Frage«, sagte Jessica.
     
    Die Wells wohnten in einem ärmlichen Dreifamilienhaus in der Zwanzigsten, ein für die Straßen Nord-Philadelphias typisches Wohnhaus der Arbeiterschicht. Die Bewohner waren bemüht, ihre Häuser durch kleine Veränderungen von denen der Nachbarn zu unterscheiden: durch Blumenkästen, geschnitzte Fensterstürze, hübsche Hausnummern, pastellfarbene Markisen. Das Haus der Wells hingegen schien nur der Zweckmäßigkeit zu dienen.
    Frank Wells war Ende fünfzig, ein schwerfälliger, hagerer Mann mit schütterem, grauem Haar und hellblauen Augen. Er trug ein geflicktes Flanellhemd, eine ausgeblichene Khakihose und dunkelgrüne Kordpantoffeln. Seine Hände waren mit Leberflecken übersät. Sein ausgemergeltes, geisterhaftes Aussehen ließ erkennen, dass er in letzter Zeit stark abgenommen hatte. Seine Brille mit dem dicken schwarzen Kunststoffgestell ähnelte denen, wie Mathelehrer sie in den Sechzigern getragen hatten. Der Schlauch, der in seiner Nase steckte, führte zu einer kleinen Sauerstoffflasche auf einem Ständer neben seinem Stuhl. Frank Wells litt an Lungenemphysemen im Endstadium.
    Als Byrne ihm das Foto seiner Tochter gezeigt hatte, warteten er und Jessica vergeblich auf eine Reaktion oder vielmehr eine sichtbare Reaktion. Es ist ein entscheidender Moment bei allen Ermittlungen in Mordfällen, wenn Schlüsselfiguren – Ehegatten, Freunde, Familienangehörige, Kollegen – über den Tod unterrichtet werden. Die Reaktionen auf die Nachricht sind sehr aufschlussreich. Nur wenige Menschen sind so gute Schauspieler, dass sie ihre wahren Gefühle verbergen können, wenn sie eine solch schreckliche Nachricht erhalten.
    Frank Wells nahm die Nachricht auf wie ein Mann, der ein Leben voller tragischer Begebenheiten mit stoischer Fassung ertragen hatte. Er brach nicht in Tränen aus, fluchte nicht auf Gott und die Welt – er schloss nur kurz die Augen, reichte das Foto zurück und sagte: »Ja, das ist meine

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