Byrne & Balzano 1: Crucifix
führt eine stumme, arrogante Kommunikation mit den Polizisten, die in dem Mordfall die Ermittlungen anstellen.
Zwei Beamte von der Spurensuche trafen ein. Byrne begrüßte sie unten an der Treppe. Ein paar Minuten später erschien Tom Weyrich, ein alter Hase aus der Gerichtsmedizin, mit seinem Fotografen im Schlepptau. Sobald eine Person durch Gewalt oder unter mysteriösen Umständen starb – oder wenn feststand, dass ein Gerichtsmediziner gebraucht wurde, der später vor Gericht eine Aussage machen musste –, waren Fotos, die Art und Ausmaß äußerer Wunden oder Verletzungen dokumentierten, Routine bei der Untersuchung.
Die Gerichtsmedizin verfügte über einen eigenen Fotografen, der die Schauplätze von Morden, Selbstmorden oder tödlichen Unfällen anhand von Fotos dokumentierte. Der Fotograf stand immer auf Abruf bereit, um zu jeder Tages- oder Nachtzeit an jeden Ort der Stadt zu fahren.
Dr. Thomas Weyrich war Ende vierzig, ein akribischer Mann in allen Lebensbereichen, bis hin zur messerscharfen Falte in seiner gelbbraunen Dockers und dem perfekt geschnittenen, grau melierten Bart. Er zog einen Plastikschutz über seine Schuhe, streifte Handschuhe über und schritt vorsichtig zu der jungen Frau.
Während Weyrich mit seinen Voruntersuchungen begann, stand Jessica an einer feuchten Wand. Sie war der Meinung, dass die Beobachtung von Menschen, die ihren Job gut machten, informativer war als jedes Lehrbuch. Andererseits hoffte sie, dass niemand ihr Verhalten als Befangenheit auslegte. Byrne nutzte die Gelegenheit, um die Treppe hinaufzusteigen und sich mit Buchanan zu besprechen, denn einer von ihnen musste die Koordination der unmittelbar am Tatort anstehenden Ermittlungsarbeiten übernehmen. Dann musste festgestellt werden, auf welchem Weg das Opfer vom Mörder hierher gebracht worden war.
Jessica zog alles zu Rate, was sie bisher in ihrem Job gelernt hatte, und versuchte, sich ein Bild zu machen. Wer war diese Jugendliche? Was war ihr zugestoßen? Wie war sie in diesen Keller gekommen? Wer hatte das getan? Und die schlimmste Frage: warum?
Fünfzehn Minuten später trat Weyrich von dem Leichnam zurück und erlaubte den Detectives, mit ihrer Arbeit anzufangen.
Kevin Byrne kehrte zurück. Jessica und Weyrich standen unten an der Treppe.
Byrne fragte: »Ungefährer Todeszeitpunkt?«
»Kann ich noch nicht genau sagen. Vielleicht gegen vier oder fünf Uhr heute Morgen.« Weyrich zog seine Latexhandschuhe aus.
Byrne schaute auf die Uhr. Jessica machte sich Notizen. »Todesursache?«, fragte Byrne.
»Sieht nach einem gebrochenen Genick aus. Wenn sie bei mir auf dem Tisch liegt, kann ich Genaueres sagen.«
»Wurde sie hier ermordet?«
»Das kann ich im Moment noch nicht sagen. Ich vermute, ja.«
»Was ist mit ihren Händen?«, fragte Byrne.
Weyrichs Miene verdüsterte sich. Er tastete über seine Jackentasche. Jessica sah eine Schachtel Marlboro hervorgucken. Weyrich hätte sich natürlich nie erlaubt, an einem Tatort – auch nicht an diesem – eine Zigarette zu rauchen, aber die Geste bewies, dass er es gern getan hätte. »Sieht wie eine Stahlschraube und eine Mutter aus«, sagte der Gerichtsmediziner.
»Wurden die Hände nach Eintritt des Todes verschraubt?«, fragte Jessica und hoffte, er würde die Frage bejahen.
»Ich würde sagen, ja«, erwiderte Weyrich. »Sehr wenig Blut. Damit beschäftige ich mich heute Nachmittag. Dann weiß ich mehr.«
Weyrich hob den Blick und vergewisserte sich, dass die Detectives im Augenblick keine weiteren dringenden Fragen an ihn hatten. Er stieg die Treppe hinauf, zog eine Zigarette aus der Schachtel und zündete sie an, als er die letzte Stufe erreicht hatte.
Einen Moment herrschte Stille. Wenn es sich beim Toten an einem Tatort um ein ermordetes Gangmitglied handelte, das von einem Rivalen erschossen worden war, oder um einen Verbrecher, den ein anderer Verbrecher hinter Gittern kaltgemacht hatte, ging es zwischen den ermittelnden Detectives und ihren Kollegen, die für die Untersuchungen und die Reinigung nach dem Gemetzel zuständig waren, locker zu, manchmal sogar ausgelassen. Galgenhumor, zweideutige Scherze. Diesmal nicht. Jeder an diesem feuchten, abscheulichen Ort ging seiner Arbeit mit düsterer Entschlossenheit nach. Und sie hatten alle das untrügliche Gefühl, dass es sich hier um einen ganz außergewöhnlichen Mordfall handelte.
Schließlich hob Byrne die Hände, richtete die Handflächen nach oben und sagte: »Könntest du überprüfen, ob
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