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Byrne & Balzano 1: Crucifix

Byrne & Balzano 1: Crucifix

Titel: Byrne & Balzano 1: Crucifix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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gelebt und viele Dinge gelernt, die nichts mit den Werten und Grundsätzen eines christlichen Lebens zu tun hatten, im Gegenteil. Später wurde Simon in die Obhut seiner einzigen Verwandten gegeben, die bereit war, ihn aufzunehmen. Seine unverheiratete Tante Iris lebte in Shamokin, Pennsylvania, einer Kleinstadt, einhundertdreißig Meilen von Philadelphia entfernt.
    Tante Iris war mit dem kleinen Simon oft nach Philadelphia gefahren. Simon erinnerte sich an die Hochhäuser, die breiten Brücken, die Gerüche und den Lärm der Großstadt. Schon damals war er überzeugt gewesen, eines Tages in dieser Stadt zu leben. Das war für ihn so sicher wie die Tatsache, dass er seinen Akzent aus Northumberland niemals verlieren würde.
    Mit sechzehn fing Simon als Botenjunge bei News-Item an, der Tageszeitung der Bergarbeiterstadt, und übernahm dort dieselben Arbeiten wie jeder x-beliebige Laufbursche bei allen anderen Käseblättern östlich der Alleghenies oder bei den Lokalnachrichten des Philadelphia Inquirer oder der Daily News . Aber nachdem er zwei Jahre lang Kopien aus dem Redaktionsbüro zum Schriftsetzer in den Keller gebracht und gelegentlich die Listen und Termine für das Oktoberfest in Shamokin geschrieben hatte, sah er Licht am Ende des Tunnels.
    Es war ein stürmischer Silvesterabend, als Simon den Zeitungsverlag in der Main Street fegte, als er den Lichtschimmer aus dem Redaktionsbüro auf den Korridor fallen sah. Als er in das Zimmer spähte, sah er zwei Männer. Der eine war der Zeitungschef, ein Mann in den Fünfzigern namens Norman Watts. Er blätterte in einem dicken Wälzer, einem Gesetzbuch des Staates Pennsylvania.
    Der andere Mann war für Kunst und Unterhaltung zuständig und hieß Tristan Chaffee. Er trug einen glänzenden Smoking, hatte seinen Krawattenknoten gelockert, die Füße auf den Schreibtisch gelegt und hielt ein Glas weißen Zinfandel in der Hand. Er arbeitete an einer Story über eine lokale Persönlichkeit, einen überschätzten Sänger sentimentaler Liebeslieder, einen zweitklassigen Bobby Vinton, der offenbar in eine Kinderpornographie-Affäre verstrickt war.
    Simon schwang den Besen und beobachtete die beiden Männer heimlich bei der Arbeit. Der seriöse Journalist beschäftigte sich angestrengt mit den unverständlichen Gesetzestexten über Grundstücksrechte. Er rieb sich die Augen, zündete sich eine Zigarette nach der anderen an, vergaß sie zu rauchen und ging häufig aufs Klo, um seine Sextanerblase zu leeren, an der er offenbar litt.
    Und dann war da der Schreiberling des Unterhaltungsressorts, der süßen Wein trank, am Telefon mit Schallplattenproduzenten, Clubbesitzern und Groupies plauderte.
    Die Entscheidung fiel fast von selbst.
    Zur Hölle mit den ernsten Themen , hatte Simon gedacht.
    Es lebe der weiße Zinfandel .
    Mit achtzehn schrieb Simon sich am Luzerne College ein. Ein Jahr nach dem Abschluss entschlief Tante Iris sanft. Simon packte seine Siebensachen und zog nach Philadelphia, womit sich endlich sein lang ersehnter Traum verwirklichte. Drei Jahre lang lebte er von seinem kleinen Erbe und versuchte seine Artikel, die er als freier Journalist schrieb, an die größten nationalen Hochglanzmagazine zu verkaufen – ohne Glück.
    Nachdem er drei weitere Jahre als freischaffender Schreiberling von Musik- und Filmkritiken für den Inquirer und die Daily News tätig gewesen war und sich von Spaghetti und heißer Ketchup-Suppe ernährt hatte, landete Simon einen Coup bei einem neu gegründeten Klatschblatt namens The Report . Er machte schnell Karriere. Mittlerweile schrieb Simon Close schon seit sieben Jahren seine eigene wöchentliche Kolumne mit dem Titel »Close exklusiv!«, eine ziemlich sensationslüsterne Rubrik über grausame Verbrechen der Stadt Philadelphia und – wenn er Glück hatte – über die Vergehen bekannter Bürger. In dieser Hinsicht enttäuschte Philadelphia selten.
    Simon hatte es geschafft, sich mit einer Reihe großer Storys an die Spitze der Reporter heranzuarbeiten – zur großen Verwunderung seiner viel besser bezahlten Kollegen bei der so genannten seriösen Presse.
    Die so genannte seriöse Presse, weil es so etwas nach Simon Closes Meinung nicht gab. Sie standen alle bis zu den Knien in der Jauchegrube, jeder Schreiberling mit einem Notizblock und bitterem Aufstoßen. Und diejenigen, die sich als seriöse Berichterstatter betrachteten, machten sich selbst etwas vor. Connie Chung, der eine Woche damit verbracht hatte, Tonya Harding und die

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