Byrne & Balzano 1: Crucifix
»Reporter« vom Entertainment Tonight zu beschatten, die sich mit JonBenet Ramsey und Laci Peterson beschäftigten, ging es auch nur um Sensationen.
Seit wann gehörten junge tote Mädchen zur Unterhaltung?
Seitdem seriöse Nachrichten die Toilette hinuntergespült wurden.
Simon war stolz auf seine Arbeit beim Report . Er hatte ein gutes Gespür und ein fast fotografisches Gedächtnis für Zitate und Details. Mit der Geschichte des ermordet aufgefundenen Obdachlosen aus Nord-Philadelphia, dessen innere Organe aus dem Körper und vom Tatort entfernt worden waren, kam Simon ganz groß raus. Es war ihm sogar gelungen, einen Assistenten der gerichtsmedizinischen Abteilung zu bestechen, um an ein Obduktionsfoto heranzukommen, das unglücklicherweise niemals die Tinte eines Druckers sah.
Dann hatte Simon den Inquirer mit einer Reportage über einen Skandal bei der Polizei ausgestochen. Es ging um einen Detective, der einen jungen Mann in den Selbstmord getrieben hatte, dessen Eltern ermordet worden waren, indem er den jungen Mann – fälschlicherweise – der Tat verdächtigt hatte.
Kürzlich hatte Simon sogar eine Titelstory über einen Adoptionsskandal gebracht, in dem es um eine Frau aus Süd-Philadelphia ging, Besitzerin einer Schattenagentur namens »Liebende Herzen«, die tausende von Dollar für Phantom-Kinder einkassiert hatte, die sie niemals auslieferte. Obwohl Simon Close bei seinen Reportagen Leichen und grässliche Fotos bevorzugte, war er für »Phantom-Herzen«, wie er seine Adoptionsstory nannte, für einen Journalistenpreis nominiert worden.
Das Philadelphia Magazine hatte ebenfalls einen Bericht über diese Frau gebracht – einen vollen Monat nach Simons Story im Report .
Falls sich nach der wöchentlichen Deadline etwas Interessantes ereignete, berichtete Simon auf der Website der Zeitung darüber, in die sich jeden Tag fast zehntausend Menschen einloggten.
Als das Telefon um die Mittagszeit klingelte und Simon aus seinen lebhaften Träumen riss, die von Cate Blanchett, Klett-Handschellen und einer Peitsche handelten, erfüllte ihn der Gedanke mit Angst, dass er noch einmal seinen katholischen Wurzeln gegenüberstehen müsste.
»Ja …?« Simons Stimme hörte sich an wie eine verschlammte Wasserleitung.
»Verdammt! Liegst du immer noch mit deinem dicken Arsch im Bett?«
Simon kannte mindestens ein Dutzend Leute, die in diesem Ton mit ihm sprachen. Daher zog er keine passende Erwiderung in Erwägung. Nicht zu dieser frühen Stunde. Er wusste, wer der Anrufer war: Andrew Chase, sein alter Freund und Verschwörer bei journalistischen Enthüllungsstorys. Obwohl es eine wahnsinnige Übertreibung gewesen wäre, Andy als Freund zu bezeichnen. Die beiden Männer tolerierten einander ähnlich wie Brot und Schimmel. Es war eine unangenehme Verbindung, bei der es nur um beidseitigen Profit und gelegentlich um Vorteile ging. Andy war ein Flegel und Schnösel und schlichtweg unerträglich. Gleiches galt für seine »Geschäftsbedingungen«.
»Es ist mitten in der Nacht«, protestierte Simon.
»In Bangladesch vielleicht.«
Simon rieb sich den Schlaf aus den Augen, gähnte und reckte sich. Jetzt war er halbwegs wach. Er spähte auf die andere Seite des Bettes. Leer. Wieder mal.
»Was ist los?«
»Eine katholische Schülerin wurde tot aufgefunden.«
Die Jagd beginnt , dachte Simon.
Wieder mal .
Auf dieser Seite der Nacht war Simon Edward Close Reporter; daher löste die Information einen Adrenalinschub bei ihm aus. Schlagartig war er hellwach. Sein Herz begann in dem Rhythmus zu klopfen, den er kannte und liebte. Eine Story . Simon tastete über den Nachttisch, fand zwei leere Zigarettenschachteln und wühlte im Aschenbecher, bis er einen längeren Stummel fand. Er fischte ihn heraus, zündete ihn an und musste husten. Dann streckte er den Arm aus und drückte auf die Aufnahmetaste seines Panasonic-Aufnahmegeräts mit integriertem Mikrofon. Er hatte es lange aufgegeben, sich vor seinem ersten ristretto des Tages Notizen zu machen, mit denen er später noch etwas anfangen konnte. »Schieß los.«
»Sie wurde in der Achten gefunden.«
»Wo genau?«
»Tausendfünfhundert.«
Beirut , dachte Simon. Das ist gut . »Wer hat sie gefunden?«
»Irgendein Säufer.«
»Auf der Straße?«, fragte Simon.
»In einem der Reihenhäuser. Im Keller.«
»Wie alt?«
»Das Haus?«
»Mein Gott, Andy. Es ist noch sehr früh. Verarsch mich nicht. Wie alt war das Mädchen?«
»Eine Jugendliche.« Andy Chase
Weitere Kostenlose Bücher