Byrne & Balzano 1: Crucifix
dem Asphalt dieser Stadt pulsierte.
Das Deuces war ein geschütztes Drogenhaus in einem alten Gebäude am Hafen unter der Walt Whitman Bridge, in der Nähe der Packer Avenue, nur ein paar Schritte von den Ufern des Delaware River entfernt. Die Eingangstür aus Stahl war mit Graffiti verschiedener Gangs übersät. Das Gebäude wurde von einem hünenhaften Schlägertypen namens Serious bewacht. Niemand ging rein zufällig ins Deuces. Es war länger als ein Jahrzehnt her, dass die Öffentlichkeit es so getauft hatte. Deuces war der Name der seit langem geschlossenen Bar, in der ein ganz übler Bursche namens Luther White in jener Nacht saß und trank, als Kevin Byrne und Jimmy Purify vor fünfzehn Jahren dort eintraten – in der Nacht, in der zwei von ihnen starben.
Anschließend begann Kevin Byrnes dunkle Zeit.
Anschließend begann er zu sehen.
Jetzt war es ein Crack-Haus.
Aber Byrne war nicht wegen der Drogen hier. Es stimmte zwar, dass er mit allen möglichen Substanzen experimentiert hatte, um die Bilder aus seinem Kopf zu vertreiben, aber keine Droge hatte je die Kontrolle über ihn gewonnen. Es war Jahre her, seit er zu anderen Dingen als Vicodin oder Bourbon gegriffen hatte.
Er war hier, um einen Blick in seine Seele zu werfen.
Byrne öffnete eine Flasche Old Forester und dachte über seinen Tag nach.
An dem Tag, als seine Scheidung vor fast einem Jahr rechtskräftig geworden war, hatten er und Donna sich geschworen, jede Woche einmal mit der ganzen Familie zu Abend zu essen. Trotz der vielen Hindernisse, die ihre Jobs ihnen in den Weg legten, hatten sie in dem Jahr kein einziges Essen ausfallen lassen.
Heute Abend hatten sie sich wieder durch das gemeinsame Essen gequält, seine Frau ein schlichter Hintergrund, die Gespräche im Esszimmer gleichförmige Monologe aus oberflächlichen Fragen und vorgefertigten Antworten.
Seit fünf Jahren arbeitete Donna Sullivan Byrne als engagierte Maklerin für einen der größten und renommiertesten Immobilienmakler Philadelphias, und das Geld floss in Strömen. In dem Sommer damals, als sie geheiratet hatten, trafen sie sich zwei-, dreimal die Woche in der Stadtmitte zum Mittagessen, und Donna erzählte ihm von ihren Triumphen, ihren seltenen Fehlschlägen, ihren cleveren Schachzügen durch den Dschungel der Treuhandgelder, Schließungskosten, der Veräußerung, der Rückstände und Realrechte. Byrne musterte sie jedes Mal verständnislos, wenn er die Begriffe hörte, denn er konnte einen Basispunkt nicht von einer Sammelzahlung unterscheiden, und er staunte immer wieder über ihre Energie und ihren Eifer. Sie hatte ihre Karriere erst mit dreißig gestartet, und sie war glücklich.
Aber vor genau achtzehn Monaten hatte Donna die Kommunikation mit ihrem Mann abgebrochen. Das Geld floss noch immer, und Donna war noch immer eine unglaublich gute Mutter für Colleen und weiterhin in der Gemeinde aktiv. Wenn es allerdings darum ging, mit ihrem Mann zu sprechen, irgendetwas wie Gefühle, Gedanken, Meinungen mit ihm zu teilen, dann war sie weg. Schotten dicht.
Kein Wort. Kein Brief. Keine Erklärung. Nichts.
Aber Byrne wusste, warum. Als sie geheiratet hatten, hatte er ihr versprochen, bei der Polizei Karriere zu machen, und gesagt, dass er bereits auf dem Weg zum Lieutenant oder sogar zum Captain sei. Vielleicht sogar in die Politik? Warum nicht! Für ihn selbst war das zwar schon lange kein Thema mehr, aber das hatte er für sich behalten. Donna blieb immer skeptisch. Sie kannte genug Cops, um zu wissen, dass Detectives ihren Job lebenslang machten und ihn nicht einfach aufgaben.
Und dann wurde Morris Blanchard gefunden, als er am Ende eines Seils baumelte. Donna schaute Byrne in jener Nacht in die Augen, und ohne ihm auch nur eine Frage zu stellen, wusste sie, dass er den Kampf wieder an die Spitze zu gelangen, niemals aufgeben würde. Er war mit Leib und Seele Detective und würde es immer bleiben.
Ein paar Tage später war sie weg.
Nach einem langen, tränenreichen Gespräch mit Colleen entschied Byrne, nicht um die Beziehung zu kämpfen. Was das betraf, hatten er und Donna schon lange eine vertrocknete Pflanze gegossen. Solange Donna das Kind nicht gegen ihn aufhetzte und er seine Tochter sehen konnte, wann er wollte, war es für ihn okay.
Während ihre Eltern heute Abend wieder mal die Statisten spielten, hatte Colleen gehorsam an der wöchentlichen Aufführung des Abendessens teilgenommen und sich in ein Buch von Nora Roberts vertieft. Manchmal beneidete
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