Byrne & Balzano 3: Lunatic
Callum.
»Sie haben sie eingestellt?«
»Mein Sohn Alex kümmert sich um diese Dinge.«
»Sie hat hier als Empfangsdame gearbeitet?«, fragte Jessica.
»Ich rufe Alex. Der kann es Ihnen besser erklären.« Callum trat zur Seite, zog sein Handy heraus und telefonierte kurz. Anschließend wandte er sich den beiden Detectives wieder zu. »Er ist gleich da.«
Jessica schaute sich in dem Büro um. Für ihren Geschmack war es ein wenig zu protzig eingerichtet: Tapete aus Velourslederimitat, in Öl gemalte Landschaften und Jagdszenen in antiken Goldrahmen, ein Springbrunnen in einer Ecke, der aus drei goldenen Schwänen zu bestehen schien. Was für ein Zufall, dachte Jessica.
Die Wand links neben Callums Schreibtisch war besonders beeindruckend. Dort hingen zehn mit Überwachungskameras verbundene Flachbildschirme, die verschiedene Winkel der Bars, der Bühnen, der Eingangstür, des Parkplatzes und des Kassenraums einfingen. Auf sechs der Monitore tanzten junge Frauen, deren Striptease-Darbietungen unterschiedlich weit vorangeschritten waren, was die Bekleidung betraf.
Während sie warteten, stand Byrne wie gebannt vor den Bildschirmen. Jessica fragte sich, ob ihm bewusst war, dass ihm der Mund offen stand.
Sie gesellte sich zu ihm. Sechs Paar Brüste wackelten, einige mehr, andere weniger. Jessica zählte: »Silikon, Silikon, echt, Silikon, echt, Silikon.«
Byrne war entsetzt. Er sah aus wie ein fünfjähriger Junge, der gerade die brutale Wahrheit über den Osterhasen erfahren hatte. Er zeigte auf den letzten Monitor, auf dem eine brünette Tänzerin mit unglaublich langen Beinen zu sehen war. Er starrte auf die wippenden Büste. »Silikon?«
»Silikon.«
Während Byrne auf die Monitore stierte, schaute Jessica sich die Bücher auf den Regalen an. Es waren größtenteils schottische Schriftsteller: Robert Burns, Walter Scott, J. M. Barrie. Dann entdeckte sie einen separaten Flachbildschirm, der hinter Callums Schreibtisch in die Wand eingelassen war. Es lief ein Bildschirmschoner: Unaufhörlich öffnete sich eine kleine goldene Schachtel, worauf ein Regenbogen enthüllt wurde.
»Was ist das?«, fragte Jessica.
»Das ist eine interne Überwachungsanlage eines ungewöhnlichen Clubs«, sagte Callum. »Er ist im zweiten Stock. Die so genannte Pandora Lounge.«
»Wieso ungewöhnlich?«
»Alex wird es Ihnen erklären.«
»Was geht da oben ab?«, fragte Byrne.
Callum lächelte. »Die Pandora Lounge ist ein besonderer Ort für besondere Frauen.«
26.
D iesmal hatte Tara Lynn Greene es rechtzeitig geschafft. Sie hatte einen Strafzettel wegen Geschwindigkeitsüberschreitung riskiert – noch einer, und sie wäre ihren Führerschein für ein paar Monate los – und hatte in dem teuren Parkhaus in der Nähe vom Walnut Street Theater geparkt. Beides konnte sie sich nicht leisten.
Aber heute war das Casting für Carousel , und Marc Balfour führte Regie. Die begehrte Rolle war die der Julie Jordan. Shirley Jones hatte die Rolle in der Verfilmung von 1956 gespielt und damit eine unglaubliche Karriere gestartet.
Tara hatte kürzlich eine Rolle in der erfolgreichen Aufführung des Musicals Nine im Centre Theater in Norristown gespielt. Ein Kritiker einer Lokalzeitung hatte sie als »bezaubernd« bezeichnet. Für Tara war dieses »bezaubernd« das Beste, was ihr je passiert war.
Nun betrachtete sie ihr Spiegelbild im Fenster des Theaterfoyers. Mit siebenundzwanzig Jahren war sie keine Anfängerin mehr. Okay, mit achtundzwanzig. Aber wer zählte so genau ...
Sie ging die zwei Blocks zurück zum Parkhaus. Ein eiskalter Wind fegte über die Walnut. Tara bog um die Ecke, schaute auf das Schild an dem kleinen Kassenhäuschen und rechnete ihre Parkgebühr aus. Sie musste sechzehn Dollar bezahlen. Sechzehn verdammte Dollar. Sie hatte gerade mal einen Zwanziger in der Brieftasche.
Okay, dann würde sie heute Abend wieder Spaghetti essen. Tara lief die Treppe ins Untergeschoss hinunter, stieg in den Wagen und wartete, bis der Motor warmgelaufen war. Während sie wartete, schaltete sie den CD-Player ein. Kay Starr sang C’est Magnifique .
Als der Motor warmgelaufen war, setzte Tara zurück, wobei ihre Gedanken sich um die Hoffnung auf gute Rollen, ihr Lampenfieber vor den Premieren, umwerfende Kritiken und stürmischen Applaus drehten.
Dann hörte sie den dumpfen Knall.
Ach du Schande. Hatte sie etwas überfahren? Tara legte den Leerlauf ein, zog die Handbremse und stieg aus. Sie ging zum Heck des Wagens. Da war nichts.
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