Byrne & Balzano 3: Lunatic
Jahren Polizistin, war Halbprofiboxerin und obendrein bewaffnet. Aber es war trotzdem nett von Byrne, dass er gefragt hatte. »Ich komm schon klar.«
Byrne steuerte auf die Toilette zu. Jessica setzte sich auf den letzten Hocker an der Theke, der neben dem Durchgang stand, gegenüber von den Zitronenscheiben, den Pimiento-Oliven und den Maraschinokirschen. Der Raum war wie ein marokkanisches Bordell dekoriert. Alles war in Gold gestrichen; es gab rote Velourstapeten und Samtmöbel mit großen, runden Kissen.
Die Geschäfte gingen gut. Kein Wunder. Der Club lag in der Nähe des Kongresszentrums. Aus den Lautsprechern drang George Thorogoods »Bad to the Bone«.
Der Hocker neben Jessicas war frei, der daneben jedoch von einem Mann besetzt. Jessica schaute zu ihm hinüber. Der Typ war um die vierzig und sah aus wie ein abschreckendes Beispiel eines typischen Stripclubbesuchers. Er trug ein glänzendes Hemd mit Blumenmuster, eine enge marineblaue Stoffhose, abgestoßene Slipper und an beiden Handgelenken vergoldete Armbänder mit Namenszug. Die beiden vorderen Schneidezähne standen schief, was ihm das Aussehen eines ratlosen Eichhörnchens verlieh. Er rauchte Salem Light 100s mit abgebrochenen Filtern und gaffte Jessica an.
Jessica erwiderte den Blick, ohne eine Miene zu verziehen.
»Kann ich etwas für Sie tun?«, fragte sie.
»Ich bin der stellvertretende Clubmanager«, erwiderte er und rutschte auf den freien Hocker neben Jessica. Er roch nach Old Spice Deostift und Speckschwarte. »Okay, erst in drei Monaten.«
»Glückwunsch.«
»Sie kommen mir bekannt vor«, sagte er.
»Ach ja?«
»Haben wir uns schon mal irgendwo gesehen?«
»Ich glaube nicht.«
»Ich bin ganz sicher.«
»Möglich«, sagte Jessica. »Vielleicht erinnere ich mich nur nicht.«
»Nein?« Er betonte das Wort, als könnte er es nicht glauben.
»Nein«, sagte sie. »Und wissen Sie was? Ich hab da kein Problem mit.«
Wie ein Wolf im Schafspelz pirschte er sich an sie heran. »Haben Sie schon mal getanzt? Professionell, meine ich?«
»Klar«, sagte Jessica.
Der Typ schnippte mit den Fingern. »Ich hab’s gewusst. Ich vergesse niemals ein hübsches Gesicht. Oder eine Frau mit ’ner tollen Figur. Wo haben Sie getanzt?«
»Ich war ein paar Jahre beim Bolschoi. Aber die Fahrerei hat mich umgebracht.«
Der Typ hob den Kopf um zehn Grad, dachte nach – oder tat das, was er als Ersatz fürs Denken hielt – und kam zu dem Schluss, dass das Bolschoi ein Stripteaseclub in Newark sein müsste. »Das Lokal kenne ich nicht.«
»Das wundert mich.«
»Splitternackt?«
»Nein. Man wird dort als Schwan verkleidet.«
»Wow«, sagte er. »Hört sich heiß an.«
»O ja, ist es auch.«
»Wie heißen Sie?«
»Isadora.«
»Ich heiße Chester. Meine Freunde nennen mich Chet.«
»Okay, Chester, war nett, mit Ihnen zu plaudern.«
»Gehen Sie?« Er bewegte sich ein Stück auf sie zu. Wie eine Spinne. Als wollte er sie auf dem Hocker festhalten.
»Ja, leider. Die Pflicht ruft.« Jessica legte ihre Dienstmarke auf die Theke. Chets Gesicht wurde aschgrau. Als hätte Jessica einem Vampir ein Kreuz gezeigt. Er wich zurück.
Byrne kehrte von der Toilette zurück und starrte Chet an.
»Hi. Wie geht’s?«, fragte Chet.
»Bestens«, sagte Byrne und fügte an Jessica gewandt hinzu: »Bist du bereit?«
»Ja, es kann losgehen.«
»Man sieht sich«, sagte Chet, der jetzt aus irgendeinem Grund einen coolen Ton anschlug.
»Ich kann’s kaum erwarten«, erwiderte Jessica.
Von zwei kräftigen Bodyguards begleitet, durchquerten die beiden Detectives ein Labyrinth von Gängen im ersten Stock, bis sie schließlich vor einer massiven Stahltür standen, über der eine Überwachungskamera hing, die in einem Gehäuse aus dickem Spezialkunststoff steckte. Zwei elektronische Schlösser zierten die Wand neben der Tür, die nicht weiter gesichert war. Schlägertyp Nummer eins sprach in sein Funkgerät. Einen Moment später öffnete die Tür sich einen Spalt. Schlägertyp Nummer zwei zog sie weit auf. Byrne und Jessica traten ein.
Der große Raum war spärlich beleuchtet mit indirekten Spotlights, Wandleuchtern in einem dunklen Orange und in die Decke eingelassenen Punktstrahlern. Eine echt aussehende Tiffany-Tischlampe zierte den riesigen Eichenschreibtisch, hinter dem ein Mann saß, der nach Byrnes Beschreibung nur Callum Blackburn sein konnte.
Die Miene des Mannes hellte sich auf, als er Byrne sah. »Ich glaub es nicht«, sagte Callum. Er stand auf und streckte
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