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Byrne & Balzano 3: Lunatic

Titel: Byrne & Balzano 3: Lunatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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Dartscheibe aufgestellt und feuerten die Kontrahenten an. Byrne stellte sie sich als junge Burschen in den Zwanzigern vor, als sie gerade Familien gegründet hatten und ihrer harten Arbeit nachgingen, erfüllt vom Stolz auf ihre Kameradschaft und ihre Stadt. Sie trafen sich schon seit vierzig Jahren hier. Einige sogar noch länger. Sie hatten jede Saison der Phillies und Eagles und Flyers und Sixers miterlebt, jeden Bürgermeister und jeden Skandal in der Stadt. Sie alle hatten Ehen und Geburten und Scheidungen und Sterbefälle hinter sich. Das Killian’s war eine Konstante, und die Leben, Träume und Hoffnungen seiner Stammgäste auch.
    Padraig traf genau ins Schwarze. Ungläubig starrten die anderen auf die Dartscheibe; dann brachen sie in Jubel aus. Noch eine Runde. Und so ging es für Paddy Byrne weiter.
    Byrne dachte über den Umzug seines Vaters nach. Sie hatten den Umzugswagen für den 4. Februar bestellt. Der Umzug war gut für seinen Vater. Im Nordosten war es ruhiger; die Uhren schienen dort langsamer zu gehen. Byrne wusste, dass es der Beginn eines neuen Lebens war, doch er konnte dieses andere, dieses unangenehme Gefühl nicht abschütteln, dass damit auch etwas zu Ende ging.

39.
    D ie psychiatrische Klinik, das Devonshire Acres, lag auf einem Hang in einer Kleinstadt im Südosten von Pennsylvania. In seiner Blütezeit war der riesige Komplex aus Naturstein ein Kur- und Erholungsheim für reiche Familien aus den vornehmen Vororten von Philadelphia gewesen. Jetzt war es ein vom Staat subventioniertes Alten- und Pflegeheim für Patienten mit geringem Einkommen, die ständig betreut werden mussten.
    Roland Hannah meldete sich an und lehnte eine Begleitung ab. Er kannte den Weg. Langsam stieg er die Treppe in den ersten Stock hinauf. Er hatte keine Eile. Die mit grünem Lack gestrichenen Korridore waren mit tristem, verblichenem Weihnachtsschmuck dekoriert, der aussah, als wäre er aus den Vierziger- oder Fünfzigerjahren: fröhliche Weihnachtsmänner mit Wasserflecken und Rentiere, deren verbogene Geweihe mit vergilbtem Klebeband geflickt worden waren. Auf einer Wand stand eine Botschaft aus großen Buchstaben aus Baumwolle, Bastelpapier und silbernem Glitzerstaub, die in falscher Reihenfolge aufgeklebt worden waren:
    H A P P Y H O D L I A Y S !
    Charles ging schon lange nicht mehr mit hinein.
    Roland fand sie im Gemeinschaftsraum an einem der Fenster mit Blick auf den Wald hinter dem Gebäude. Es hatte zwei Tage ununterbrochen geschneit, und die Berge schienen wie von dickem Puderzucker überzogen zu sein. Roland fragte sich, wie die Welt für sie aussah, durch ihre jungen alten Augen betrachtet. Er fragte sich, welche Erinnerungen die frische, unberührte Schneedecke bei ihr hervorrief, falls es überhaupt Erinnerungen gab. Erinnerte sie sich an ihren ersten Winter im Norden? Erinnerte sie sich an den Geschmack von Schneeflocken? An Schneemänner?
    Sie hatte eine wohlriechende, pergamentene, durchscheinende Haut. Ihr Haar hatte schon lange den goldenen Schimmer verloren.
    In dem Raum hielten sich noch vier andere Leute auf. Roland kannte sie alle. Sie erkannten ihn nicht. Er durchquerte den Raum, zog seinen Mantel und die Handschuhe aus und legte das Geschenk auf den Tisch. Es waren ein Morgenmantel und Hausschuhe – beides lavendelblau. Charles hatte das Geschenk sorgfältig eingepackt und es dann noch einmal in eine festliche Folie gewickelt, auf der Elfen, Werkbänke und bunte Werkzeuge abgebildet waren.
    Roland küsste sie auf den Scheitel. Sie reagierte nicht.
    Draußen rieselten lautlos dicke samtene Flocken vom Himmel. Sie beobachtete sie und schien eine bestimmte Flocke aus dem Schneegestöber auszuwählen und ihr bis zur Fensterbank, dann bis hinunter zur Erde und noch weiter zu folgen.
    Sie setzten sich schweigend. Sie hatten in den ganzen Jahren nur wenige Worte gesprochen. Im Hintergrund spielte I’ll Be Home for Christmas von Perry Como.
    Um sechs Uhr brachte man ihr ein Tablett. Pürierter Mais, panierte Fischstäbchen, Pastete, dazu einen Butterkeks mit grünen und weißen Streuseln auf einem Weihnachtsbaum auf weißer Glasur. Roland beobachtete sie, als sie ihr rotes Plastikbesteck immer wieder neu anordnete: Gabel, Löffel, Messer – und dann in umgekehrter Reihenfolge. Dreimal. Immer dreimal, bis es richtig lag. Niemals zweimal, niemals viermal, niemals öfter. Roland fragte sich immer, welcher innere Abakus diese Anzahl bestimmt hatte.
    »Frohe Weihnachten«, sagte Roland.
    Sie

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