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Byrne & Balzano 3: Lunatic

Titel: Byrne & Balzano 3: Lunatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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Die meisten Leute kannte er. Die Murphy-Brüder – Ciaran und Luke – hatten fast vierzig Jahre Seite an Seite mit Padraig Byrne gearbeitet. Luke war groß und kräftig, Ciaran klein und untersetzt. Neben ihnen saßen Teddy O’Hara, Dave Doyle, Danny McManus, Little Tim Reilly. Wäre das Killian’s nicht der inoffizielle Treffpunkt des örtlichen Büros der Hafenarbeitergewerkschaft gewesen, hätte es das Vereinslokal der Söhne Irlands sein können.
    Byrne nahm sein Bier und ging zu dem langen Tisch.
    »Sag mal, Padraig, brauchst du einen Reisepass, um dahin zu ziehen?«, fragte Luke Murphy.
    »Ja«, erwiderte Padraig. »Ich hab gehört, sie haben in der Roosevelt bewaffnete Kontrollstationen eingerichtet. Wie sonst sollten wir den Pöbel aus South Philly vom Nordosten fernhalten?«
    »Komisch, wir sehen das genau anders herum. So war es bei dir doch auch, oder? Damals jedenfalls.«
    Padraig nickte. Sie hatten recht. Dagegen konnte er nichts sagen. Der Nordosten war ein fremdes Land. Byrne sah jenen Ausdruck in den Augen seines Vaters, den er in den letzten Monaten oft gesehen hatte – den Blick, der zu schreien schien: Tue ich das Richtige?
    Weitere Stammgäste trafen ein. Einige brachten Pflanzen mit leuchtend roten Schleifen mit, deren Töpfe in leuchtend grüne Folie gewickelt waren: Es waren die Einweihungsgeschenke, mit denen die Hafenarbeiter aufwarteten. Vermutlich hatten in den meisten Fällen ihre Mütter das Grünzeug besorgt. Der Umtrunk entwickelte sich zu einer Weihnachts-/Abschiedsparty für Padraig Byrne. Die Musikbox spielte Silent Night, A Christmas in Rome von den Chieftains. Das Lager floss in Strömen.
    Eine Stunde später schaute Byrne auf die Uhr und zog seinen Mantel an. Als er sich verabschiedete, kam Danny McManus mit einem jungen Mann auf ihn zu, den Byrne nicht kannte.
    »Kevin«, sagte Danny. »Kennst du meinen jüngsten Sohn, Paulie?«
    Paul McManus war schlank und trug eine rahmenlose Brille. Sein Verhalten erinnerte ein wenig an einen schüchternen Vogel. Er war zwar kein Koloss wie sein Vater, schien aber dennoch kräftig zu sein.
    »Ich hatte noch nicht das Vergnügen«, sagte Byrne und streckte die Hand aus. »Freut mich.«
    »Mich auch, Sir«, sagte Paul.
    »Du arbeitest also wie dein Vater im Hafen?«, fragte Byrne.
    »Ja, Sir«, sagte Paul.
    Die Männer am Tisch wechselten Blicke, schauten an die Decke, auf ihre Fingernägel, nur nicht in Danny McManus’ Gesicht.
    »Paulie arbeitet in der Boathouse Row«, sagte Danny schließlich.
    »Ach so«, sagte Byrne. »Und was machst du da?«
    »In der Boathouse Row gibt’s immer was zu tun«, sagte Paulie. »Abkratzen, streichen, Schiffe abstützen.«
    Zur Boathouse Row gehörten eine Reihe privater Bootshäuser am Ostufer des Schuylkill River, im Fairmount Park, in der Nähe des Kunstmuseums. Dort waren Ruderclubs untergebracht, die unter der Leitung der Schuylkill Navy standen, einer der ältesten Amateur-Sportorganisationen des Landes. Für Leute, die am Packer Avenue Terminal arbeiteten, war es fast eine andere Welt.
    Arbeitete Paulie am Fluss? Im Prinzip ja. Hatte diese Arbeit etwas mit dem Fluss zu tun? Für die Männer in dieser Kneipe mit Sicherheit nicht.
    »Sie wissen, was Leonardo da Vinci geschrieben hat?«, sagte Paulie, der sich nicht beirren ließ.
    Noch mehr Seitenblicke. Einige räusperten sich und scharrten mit den Füßen. Er wollte tatsächlich Leonardo da Vinci zitieren. Im Killian’s. Der Junge traute sich was, das musste Byrne ihm lassen.
    »Was hat er denn geschrieben?«, fragte Byrne.
    »Das Wasser, das man in einem Fluss berührt, ist das letzte von dem, was vorübergeströmt ist, und das erste von dem, was kommt«, sagte Paulie. »Oder so ähnlich.«
    Alle tranken einen großen Schluck aus ihren Flaschen. Keiner wollte als Erster etwas sagen. Schließlich legte Danny einen Arm um seinen Sohn. »Er ist ein Poet. Was sagt du dazu?«
    Drei der Männer am Tisch schoben Paulie McManus ihre bis zum Rand mit Jameson gefüllten Schnapsgläser hin. »Trink, da Vinci«, sagten sie im Chor.
    Alle lachten. Paulie trank.
    Ein paar Minuten später stand Byrne an der Tür und schaute seinem Vater beim Dart zu. Padraig hatte zwei Spiele Vorsprung vor Luke Murphy. Und er hatte drei Lager mehr getrunken. Byrne fragte sich, ob sein Vater überhaupt noch trinken sollte. Andererseits hatte er seinen Vater noch nie beschwipst und schon gar nicht betrunken gesehen.
    Die anderen Männer hatten sich auf beiden Seiten der

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