Byrne & Balzano 3: Lunatic
ein paar Sachen für Kinder gesehen.«
»Wie wird es aufgepeppt?«
»Mit Rüschen, Stickereien und so was. Ziemlich abgefahren.«
»Ich möchte Ihnen ein paar Bilder zeigen«, sagte Jessica. »Ist das okay?«
»Klar.«
Jessica öffnete den Umschlag und zog die Fotos der Kleider heraus, die Kristina Jakos und Tara Grendel getragen hatten, sowie ein Foto von David Hornstrom, das für seinen Besucherausweis im Roundhouse aufgenommen worden war.
»Kennen Sie diesen Mann?«
Sa’mantha schaute sich das Foto an. »Ich glaube nicht«, sagte sie. »Tut mir leid.«
Dann legte Jessica die Fotos von den Kleidern auf die Theke. »Haben Sie kürzlich Kleider dieser Art verkauft?«
Sa’mantha betrachtete die Fotos. Sie nahm sich Zeit. »Nein, ich erinnere mich nicht«, sagte sie. »Die Kleider sind aber echt süß. Abgesehen von den Riley-Sachen ist das Zeug, das wir reinkriegen, größtenteils einfach. Levi’s, Columbia Sportkleidung, alte Sachen von Nike und Adidas. Diese Kleider sehen aus, als wären sie aus ’nem Kostümfilm oder etwas in der Art.«
»Wem gehört dieses Geschäft?«
»Meinem Bruder. Aber er ist im Augenblick nicht hier.«
»Wie heißt er?«
»Danny.«
»Mit Apostroph?«
Sa’mantha lächelte. »Nein. Einfach nur Danny.«
»Seit wann gehört ihm der Laden?«
»Seit ungefähr zwei Jahren. Vorher gehörte das Geschäft eine halbe Ewigkeit meiner Großmutter. Genau genommen gehört es ihr wohl immer noch. Mein Bruder muss es noch abzahlen, glaub ich. Sie sollten mit meiner Großmutter sprechen. Sie kommt nachher noch ins Geschäft. Sie weiß alles über Secondhand-Mode.«
So bleibt man jung, dachte Jessica. Sie schaute hinter die Theke und sah dort eine Babywippe mit einer Rasselkette aus bunten Zirkustieren. Sa’mantha bemerkte ihren Blick.
»Das ist für meinen kleinen Sohn«, sagte sie. »Er schläft hinten im Büro.«
Plötzlich klang Sa’manthas Stimme sehr traurig. Es hörte sich an, als gäbe es vielleicht diesbezüglich rechtliche Probleme, die aber nicht unbedingt etwas mit ihren Gefühlen zu tun haben mussten. Doch das ging Jessica nichts an.
Das Telefon hinter der Theke klingelte. Sa’mantha meldete sich. Als sie sich umdrehte, entdeckte Jessica rote und grüne Strähnen in dem blonden Haar, die der jungen Frau gut standen. Kurz darauf legte Sa’mantha wieder auf.
»Die Strähnen gefallen mir«, sagte Jessica.
»Danke. Hab ich mir extra für eine Weihnachtsparty machen lassen. Vielleicht wird es Zeit für was Neues.«
Jessica reichte Sa’mantha zwei Visitenkarten. »Würden Sie Ihre Großmutter bitten, mich anzurufen?«
»Kein Problem. Sie liebt Intrigen.«
»Die Fotos lasse ich auch hier. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte an.«
»Okay.«
Als Jessica sich der Tür zuwandte, stellte sie fest, dass die beiden Männer, die sich hinten im Laden umgesehen hatten, verschwunden waren. Es war niemand an ihr vorbei zur Eingangstür gegangen.
»Haben Sie einen Hinterausgang?«, fragte Jessica.
»Ja«, sagte Sa’mantha.
»Haben Sie keine Probleme mit Ladendiebstählen?«
Sa’mantha zeigte auf einen kleinen Monitor und einen Videorekorder unter der Theke. Jessica waren die Geräte gar nicht aufgefallen. Es war ein Stück eines Gangs zu sehen, der zum Hinterausgang führte. »Kaum zu glauben, aber früher war hier ein Schmuckgeschäft«, erklärte Sa’mantha. »Sie haben die Kamera und alles hier gelassen. Ich hab die Männer während unseres Gesprächs die ganze Zeit beobachtet. Kein Grund zur Panik.«
Jessica lächelte. Eine Neunzehnjährige hatte sie ausgetrickst. Man erlebte immer wieder Überraschungen.
Am frühen Nachmittag hatte Jessica jede Menge Jugendlicher unterschiedlicher Stilrichtungen – Gothic, Grunge, Hip-Hop, Rock and Roll – und Obdachlose gesehen. Hinzu kamen eine Reihe von Sekretärinnen und Empfangsdamen aus Center City, die nach der Versace-Perle in einer Auster suchten. In einem kleinen Schnellrestaurant in der Dritten Straße kaufte Jessica sich ein Sandwich und rief im Büro an. Es waren mehrere Anrufe für sie hereingekommen, unter anderem aus einem Billigladen in der Zweiten Straße. Irgendwie war die Information, dass das zweite Opfer ein Kleid von Anno dazumal getragen hatte, zur Presse durchgesickert, und jetzt meldeten sich scheinbar alle Leute, die schon einmal einen Secondhand-Laden gesehen hatten.
Es bestand natürlich auch die Möglichkeit, dass der Killer diese Sachen online erstanden oder sie in einem
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