Byrne & Balzano 3: Lunatic
Schuylkill umzusehen, gegenüber von der Pumpstation in Shawmont, und unbedingt Verstärkung mitzubringen. Wenn er sich irrte, hatte er sich eben geirrt. Sie würden sich bei dem Mann entschuldigen und wieder zur Tagesordnung übergehen.
Doch Byrne wusste, dass er sich nicht irrte. Das Gefühl war zu stark.
»Bleib mal kurz dran, Nick.«
Byrne ließ die Verbindung bestehen, während er überlegte, welche Brücke seinem Standort am nächsten lag und über welche Brücke er auf dem schnellsten Wege auf die andere Seite des Schuylkill gelangen würde. Er durchquerte den großen Raum, verharrte kurz unter dem hohen Torbogen und rannte dann zu seinem Wagen, als jemand aus dem nur wenige Schritte entfernten großen Portal auf der Nordseite des Gebäudes trat und sich ihm genau in den Weg stellte. Byrne schaute dem Mann nicht ins Gesicht. Im ersten Augenblick konnte er den Blick nicht von der Kleinkaliberwaffe in der Hand des Mannes abwenden. Eine Waffe, die genau auf Byrnes Magen gerichtet war.
Der Mann, der die Waffe in der Hand hielt, war Matthew Clarke.
»Was soll das?«, rief Byrne. »Gehen Sie mir aus dem Weg!«
Clarke bewegte sich nicht. Byrne roch die Alkoholfahne des Mannes und sah, dass die Waffe in seiner Hand bebte. Das war keine gute Kombination.
»Sie kommen mit«, sagte Clarke.
Als Byrne einen Blick über Clarkes Schulter warf, sah er durch den dichten Regenschleier noch immer die Gestalt des Mannes am anderen Ufer stehen.
Byrne versuchte, sich das Bild einzuprägen. Es war unmöglich. Der Mann konnte eins siebzig oder eins achtzig groß sein. Zwanzig oder fünfzig Jahre alt.
»Geben Sie mir die Waffe, Mr. Clarke«, sagte Byrne. »Sie behindern eine Ermittlung. Das ist ein schweres Vergehen.«
Der Wind frischte merklich auf und wehte den Schneeregen vom Fluss herüber. »Nehmen Sie Ihre Waffe heraus, ganz langsam, und legen Sie sie auf den Boden«, befahl Clarke.
»Das kann ich nicht machen.«
Clarke spannte den Hahn. Seine Hand zitterte. »Sie tun, was ich sage.«
Byrne saß die Wut in den Augen des Mannes und spürte, dass Clarke kurz davor stand, den Verstand zu verlieren. Langsam knöpfte Byrne seinen Mantel auf, griff in das Halfter und zog mit zwei Fingern seine Waffe. Er nahm das Magazin heraus und warf es über die Schulter in den Fluss. Dann legte er die Pistole auf die Erde. Er wollte keine geladene Waffe zurücklassen.
»Kommen Sie.« Clarke zeigte auf den Wagen, der in der Nähe des alten Bahnhofs stand. »Wir machen einen kleinen Ausflug.«
»Mr. Clarke«, sagte Byrne, der sich bemühte, einen überzeugenden Ton anzuschlagen. Er überlegte, ob es ihm gelingen könnte, sich auf Clarke zu stürzen und ihm die Waffe zu entreißen. Die Chancen standen nicht allzu gut. »Das wollen Sie doch gar nicht.«
»Ich habe gesagt, Sie sollen mitkommen.«
Clarke drückte die Waffe auf Byrnes rechte Schläfe. Byrne schloss die Augen.
Colleen , dachte er. Colleen.
»Wir machen einen kleinen Ausflug«, sagte Clarke. »Sie und ich. Wenn Sie nicht in meinen Wagen steigen, erschieße ich Sie auf der Stelle.«
Byrne öffnete die Augen und drehte den Kopf zum Fluss. Der Mann war verschwunden.
»Mr. Clarke, das ist das Ende Ihres Lebens«, sagte Byrne. »Sie haben keine Ahnung, was für eine beschissene Welt Sie soeben betreten haben.«
»Halten Sie den Mund! Verstanden?«
Byrne nickte.
Clarke trat hinter ihn und drückte ihm die Waffe in den Rücken. »Kommen Sie«, sagte er noch einmal. Sie gingen zum Wagen. »Wissen Sie, wohin wir fahren?«
Byrne wusste es, doch es war wichtig, dass Clarke es laut sagte. »Nein«, erwiderte er.
»Wir fahren zum Crystal Diner«, sagte Clarke. »Wir fahren zu dem Coffee Shop, wo Sie meine Frau getötet haben.«
Sie erreichten den Wagen und stiegen gleichzeitig ein. Byrne setzte sich auf den Fahrersitz, Clarke nahm hinter ihm Platz.
»Schön langsam«, sagte Clarke. »Fahren Sie los.«
Kevin Byrne ließ den Motor an und schaltete den Scheibenwischer und die Heckscheibenheizung ein. Sein Haar, sein Gesicht und seine Kleidung waren nass, und der Puls dröhnte in seinen Ohren.
Er wischte sich den Regen aus den Augen und fuhr in Richtung Stadt.
51.
J essica Balzano und Roland Hannah saßen in dem kleinen Büro des Billigladens. An den Wänden hingen zahlreiche Poster mit christlichen Motiven, ein Kirchenkalender, gestickte Sinnsprüche in Bilderrahmen, von Kindern gemalte Bilder. In einer Ecke stand ordentlich aufgestapeltes Malerzubehör: Dosen, Rollen,
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