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Byrne & Balzano 4: Septagon

Titel: Byrne & Balzano 4: Septagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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traten ihr in die Augen, und die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. Vielleicht war es auch Verlegenheit.
    »Und was?«
    »Ihn töten.«
    Halb vier.
    Das große Haus stand in einer ruhigen Straße inmitten eines von Unkraut und Gestrüpp überwucherten Gartens mit knorrigen, abgestorbenen Bäumen. Es sah alles genauso aus, wie das Mädchen es beschrieben hatte. Aus den Dachrinnen rankte wilder Wein herab. Vertrockneter Efeu klebte an der Nordseite des Hauses; es sah wie ein Geflecht schwarzer Adern aus. Zwei Stockwerke hoch und mit dunklen, orangefarbenen Ziegelsteinen verkleidet, stand das Haus auf einem großen Eckgrundstück und war von der Straße nicht einsehbar. Der gesamte erste Stock wurde von einem gemauerten Balkon umschlossen, der über einer verfallenen steinernen Veranda lag. Vier Schornsteine ragten wie eine daumenlose Hand in die schwarze Nacht.
    Aus Sicherheitsgründen fuhr Eve zweimal um das Grundstück herum. Das machte sie immer so, und so hatte sie es auch in ihrer Ausbildung gelernt. Ungefähr zwanzig Meter von der Einfahrt entfernt, die vor einem Tor endete, parkte sie und schaltete Motor und Scheinwerfer aus. Dann lauschte sie, wartete und ließ den Blick schweifen. Auf der Straße war alles ruhig.
    Zehn vor vier.
    Eve klappte ihr Handy auf, und ehe sie sich anders besann, drückte sie zum ersten Mal die Nummer auf ihrer Schnellwahlliste. Es war ein Fehler, aber sie tat es trotzdem. Es klingelte einmal, ein zweites Mal. Eves Finger schwebte über der roten Hörertaste.
    Ein paar Sekunden später hob jemand ab. Es verging eine halbe Ewigkeit.
    »Hallo«, sagte Eve schließlich.
    Fünf Minuten später schaltete Eve das Handy aus. Sie hatte viel mehr gesagt als beabsichtigt, aber sie fühlte sich gut. Gereinigt. Sie strich über ihre rechte Hosentasche, zog die Pillendose heraus und nahm zwei Valium. Dann drehte sie die kleine Flasche Wild Turkey auf, trank einen Schluck, drehte den Verschluss wieder auf die Flasche und schaute sich um.
    Auch dieses kleine Viertel in Philadelphia hatte einen Namen – wie fast alle Viertel der Stadt –, doch der Name wollte ihr einfach nicht einfallen. Das Viertel bestand aus kaum mehr als ein paar alten, versteckt liegenden Häusern westlich des Oak Lane Reservoir.
    Eve stieg aus dem Wagen und trat in die schwüle, wolkenlose Nacht. Philadelphia schlief. Philadelphia träumte.
    Sie überquerte die Straße, ging über den Bürgersteig bis zur Ecke und dann an dem schmiedeeisernen Zaun entlang. Hinter dem Zaun schälte sich das massige Haus aus der Dunkelheit; die Dachgauben ragten wie Teufelshörner in den Himmel. Knorrige Bäume verdeckten die Sicht auf die Mauern.
    Als Eve sich dem Zaun näherte, sah sie Lichter in den Fenstern im Erdgeschoss. Sie gelangte an ein Tor, stieß dagegen und hörte ein Knarren. Es war fast ein menschliches Geräusch. Noch einmal stieß sie dagegen; dann schlüpfte sie hindurch.
    Als sie das Grundstück betrat, erfasste sie das intensive Gefühl einer unsichtbaren Bedrohung. Hier wohnte das Böse. Sie spürte es, roch es. Ihr Puls ging schneller, und das Herz schlug ihr plötzlich bis zum Hals. Sie fröstelte und bekam eine Gänsehaut.
    Langsam bewegte Eve sich durch das wuchernde Gras auf das Haus zu. Das Gestrüpp, die Sträucher, das Unkraut und die wild wachsenden Blumen schienen ringsum in die Höhe zu schießen. Sieben, acht Meter vom Haus entfernt stand ein hoher Nadelbaum. Eve versteckte sich dahinter.
    Es war ein riesiges Gebäude, das verschiedene architektonische Stilrichtungen in sich zu vereinen schien und ein bisschen an einen italienischen Palazzo erinnerte. Ein halbrunder Turm erhob sich auf der rechten Seite. Es sah aus, als würden in einem Zimmer im ersten Stock Kerzen brennen. Bleiche Schatten tanzten auf den dünnen, weißen Vorhängen. Als Eve sich näher an das Haus heranschlich, hörte sie klassische Musik.
    Eve ging noch ein paar Schritte und blieb ungefähr fünf Meter vor dem Fenster des Esszimmers stehen. Die Vorhänge waren nicht zugezogen. In dem Raum flackerten tatsächlich ein Dutzend Kerzen. Eve konnte die Anrichte, die Kommode und das Sideboard sehen – wuchtige, dunkel schimmernde antike Möbel. An den Wänden hingen Ölgemälde mit apokalyptischen Szenen, die an die Werke von Hieronymus Bosch erinnerten. Sie sah auch zwei große Porträts eines dunkelhaarigen Mannes mit finsteren, stechenden Augen und einem Van-Dyck-Spitzbart. Nichts rührte sich.
    Eve schlich in östlicher Richtung um das

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