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Byrne & Balzano 4: Septagon

Titel: Byrne & Balzano 4: Septagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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Balzano?«
    Jessica drehte sich um. Die Polizistin, die sie angesprochen hatte, war eine sportliche junge Frau Anfang zwanzig mit gebräunter Haut. Jessica schätzte, dass sie knapp über eins siebzig war und damit zwei, drei Zentimeter kleiner als sie. Sie hatte hellbraune Augen, die fast wie Bernstein schimmerten. Eine Strähne ihres glänzenden braunen Haars lugte unter der Dienstmütze hervor, die in der schwülen Hitze auf ihrer glatten Stirn klebte.
    Jessica kannte diesen Blick und dieses Elend: Als Streifenpolizistin war sie damals auch oft in dieser Situation gewesen. Wenn man im August eine Kevlar-Weste, die dunkelblaue Uniform und dazu den Gürtel trug, der manchmal fünfzig Pfund zu wiegen schien, hatte man das Gefühl, in einer Sauna zu arbeiten und dabei in einer mittelalterlichen Rüstung zu stecken.
    Jessica schaute auf das Namensschild der Polizistin. M. CARUSO.
    »Wie heißen Sie mit Vornamen, Officer Caruso?«
    »Maria«, sagte die junge Frau.
    Jessica lächelte. Das hatte sie beinahe vermutet. Jessicas verstorbene Mutter hatte auch Maria geheißen; deshalb waren ihr alle Frauen, die Maria hießen, auf Anhieb sympathisch. »Was gibt’s?«
    »Da oben liegt ziemlich viel Zeug herum«, sagte Maria. »Kisten, Mülltüten, alte Koffer, Säcke voll dreckiger Kleidung, ein paar Matratzen und ein Haufen Drogen-Zubehör.«
    »Ich hoffe, keine Leichen«, sagte Jessica mit einem Anflug von Galgenhumor. In einem solch verkommenen Haus war alles möglich.
    » Bis jetzt keine Leichen«, erwiderte Officer Caruso. Sie schien auf Draht zu sein. »Aber da liegt wirklich schrecklich viel Zeug herum.«
    »Verstehe. Na, wir haben Zeit.«
    In Situationen wie dieser war Jessica immer sorgsam darauf bedacht, das Wort wir zu benutzen. Sie erinnerte sich an ihre Jahre in Uniform, als dieses Wort bedeutete – wenn erfahrene Detectives es an einem besonders grässlichen Tatort eines besonders grausamen Gewaltverbrechens aussprachen –, dass sie alle mit vereinten Kräften versuchten, den Täter zu schnappen. Das war wichtig.
    Officer Maria Caruso sah mit einem Mal ein wenig nervös aus.
    »Stimmt was nicht?«, fragte Jessica.
    »Nein, Ma’am. Ich habe nur gerade gehört, dass Sie und Detective Byrne im Fall Caitlin O’Riordan ermitteln.«
    »Ja. Erinnern Sie sich an diesen Fall?«
    »Sehr gut, Ma’am. Ich erinnere mich noch genau daran, als man sie gefunden hat.«
    Jessica nickte.
    »Ich habe Verwandte in Lancaster County«, fuhr Officer Caruso fort. »Caitlins Familie wohnt ungefähr vierzig Meilen von meiner Tante und meinen Cousinen entfernt. Ich sehe noch das Foto in der Zeitung vor mir. Ich erinnere mich an den Fall, als wäre es gestern gewesen.«
    Caitlin , dachte Jessica. Die junge Polizistin nannte den Vornamen des Opfers. Sie fragte sich, wie sehr Maria Caruso sich diesen Fall zu Herzen nahm.
    Jessica zog das Foto von Caitlin O’Riordan aus der Tasche, das Caitlins Familie dem FBI gegeben hatte. Das Mädchen trug einen ausgeblichenen lilafarbenen Rucksack mit aufgenähten rosaroten Schmetterlingen auf dem Rücken. »Ist dies hier das Foto, das Sie gesehen haben?«
    »Ja, Ma’am.« Officer Carusos Stimme schwankte, und sie drehte sich kurz zum Fenster um. Jessica verstand es gut. In Philly brauchte man ein dickes Fell.
    »Darf ich fragen, woher Sie stammen?«, fragte Jessica.
    »Zehnte und Morris.«
    Jessica nickte. Die Einwohner Philadelphias stammten entweder aus einem Viertel oder von einer Kreuzung. Meistens beides. »Ein Mädchen aus South Philly.«
    »Ja, geboren und aufgewachsen.«
    »Ich komme von der Ecke Sechste und Catharine.«
    »Ich weiß.« Officer Caruso zog an ihrem Gürtel und räusperte sich verlegen. »Ich meine, ich habe es gehört .«
    »Sind Sie zur Goretti Highschool gegangen?«
    »Klar«, sagte sie. »Ich war auf den Schulpartys immer der Gorilla.«
    Jessica lächelte. Sie hatten viele Gemeinsamkeiten. »Wenn Sie etwas brauchen, sagen Sie mir Bescheid.«
    Die junge Frau strahlte und steckte die lose Haarsträhne unter die Dienstmütze. »Danke, Detective.«
    Mit der Energie, die nur die ganz Jungen besitzen, drehte Officer Maria Caruso sich auf den Fersen um und stieg die Treppe hinauf.
    Jessica schaute ihr nach und fragte sich, ob dieses Leben für die junge Frau eine gute oder schlechte Wahl war. Es spielte eigentlich keine Rolle, denn Maria Caruso würde ohnehin nicht mehr davon abzubringen sein. Hatte man einmal damit angefangen, Verbrecher zu jagen, konnte man kaum noch einen

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