Byzanz
jetzt im Geheimen Rat, weil er dieses Reich verändern wollte, für seine Familie, für Anna. Er schwor in der Hagia Sophia, dafür zu sorgen, dass der Kaiser künftig stärker auf den Geheimen Rat hören würde, der nicht mit den wohlhabendsten, sondern mit den klügsten Männern des Reiches besetzt werden musste. Nicht Adel, sondern Fähigkeit hatte über die Mitgliedschaft in dieser Versammlung zu entscheiden. Denn eines hatten ihn die Ereignisse gelehrt: Wenn man das Reich der Rhomäer nicht reformierte, würde es untergehen.
Diese Erkenntnis und eine herzliche Abneigung verbanden den Kapitän Loukas Notaras und den Fürsten Alexios Angelos, die sich im Rat gegenübersaßen und einander wie Raubkatzen belauerten.
Der Tag würde kommen, an dem man ihm die Kaiserkrone aufs Haupt setzte, davon war Alexios überzeugt. Dann würde er auch mit Loukas Notaras abrechnen. Dafür benötigte er nur Klugheit, Skrupellosigkeit und Geduld, denn schließlich war er das Licht der Welt.
TEIL II
1
Forsthaus in Großwardein, Ungarn
»Pratzen hoch!«, brüllte der vierschrötige Reisige, dass es Alexios in den Ohren widerhallte. Der nur mit einem Paar schlichter Beinlinge und einem grauen Leinenhemd bekleidete Fürst blickte auf die Eisenspitzen der Bolzen gespannter Armbrüste, die zwei Schützen ungerührt auf ihn und Clara von Eger richteten. Înger duckte sich zum Sprung.
»Still, ruhig, mein Guter! Ganz ruhig!«, rief der Fürst dem Kuvasz auf Griechisch zu. Er wollte vermeiden, dass die Eindringlinge auf den Hund schossen. Ins stille Forsthaus drängten abenteuerlich aussehende Gestalten, die eine Wolke abgestandenen Schweißes vor sich herschoben. Der Anführer genoss sichtlich die Rolle des Überlegenen. Er grinste, so breit es sein kleiner, weibischer Mund zuließ.
In den letzten zehn Jahren war Alexios Angelos mindestens zweimal im Jahr von Konstantinopel nach Großwardein geritten, um einem Monat der Liebe mit Barbara zu frönen. Er wohnte in diesen Wochen im Forsthaus, und sie kam des Nachts zu ihm. Er fühlte sich dann immer wie aus der Zeit gefallen. Niemals jedoch war er in eine ähnliche Situation wie diese geraten. Die Zeit hatte ihn wieder, durchschoss es ihn instinktiv.
»Was willst du von mir?«, fuhr Alexios den Anführer auf Ungarisch an. Er hatte die Sprache von Barbara gelernt.
»Maul halten und mitkommen!«
»Wohin?«
»Werdet schon sehn!« Alexios sah in das stumpfe Gesicht, auf die Übermacht der Meute, auf die Bolzen, die auf Clara und ihn gerichtet waren. Selbst sein Schwert befand sich außer Reichweite. Um den Kuvasz nicht zu gefährden, band er dem Hund eigenhändig die Läufe zusammen.
»Ist gut, ist ja gut, erst mal können wir nichts tun, beruhig dich«, sprach er dabei auf das treue Tier ein. Dann ließ auch er sich fesseln. Noch hoffte der Fürst, dass sich das Ganze als Rollenspiel Barbaras, wenn auch als sehr gewagtes, herausstellen würde.
»Die Buhle auch!«, befahl der Anführer.
Alexios sah den Schrecken in Claras Augen, und der wirkte doch sehr echt. Ihm wurde siedend heiß, als er erkannte, dass er sich in keinem Rollenspiel seiner wundervoll erfindungsreichen Geliebten befand, sondern in einer ausgesprochen unangenehmen Wirklichkeit.
»Lasst sie gehen!«, sprach er, keinen Widerspruch duldend.
»Die Metze kommt mit, wurde mich befohlen!«
Die Weigerung empfand der Fürst als Dreistigkeit und nahm sich vor, den Schergen die Frechheit eines Tages entgelten zu lassen. Claras Leib begann zu zittern. Wie gern hätte er sie in den Arm genommen, die treue Dienerin ihrer Liebe, und sie getröstet, aber dazu saßen die Fesseln zu straff. »Macht Euch keine Sorgen. Ihr steht unter meinem Schutz.« Sie sah ihn nur mitleidig an. Die junge Frau schien zu wissen, was nun geschehen würde. Alexios verdrängte den Eindruck und fuhr den Vierschrötigen an: »Von wem hast du deine Befehle, Kerl?«
»Werdet schon noch sehen!« Mehr bekam er aus dem Anführer nicht heraus. Als sie mit gefesselten Händen die Hütte verließen, schätzte er den Haufen vor der Tür auf dreißig Mann – recht viel Aufwand für zwei Gefangene. Man stieß sie auf einen Leiterwagen, vor den zwei Esel gespannt waren, und warf den Hund zu ihnen. Dann setzte der Zug sich in Bewegung. Es gelang Alexios nicht, ein Gespräch mit den Bewaffneten anzuknüpfen, um sie auszufragen. Sie ignorierten ihn. Unterwegs betete Clara fast unentwegt. Der Fürst erinnerte sich allmählich an den Weg, er war ihn vor vielen Jahren
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