Byzanz
Buda zu bringen. Meinst du nicht, dass es sich inzwischen herumgesprochen hat, du kleine Laus?«
»Was wollt Ihr von mich?«, fragte der Vierschrötige unsicher. Allmählich schien ihm zu dämmern, dass es ein Fehler gewesen war, dem Gelehrten diese Auskunft zu geben.
»Die Königin wird dem Befehl des Königs nicht widersprechen, aber sie wird dir nie verzeihen, wenn Clara auf dem Weg etwas zustößt! Übrigens mein Verwandter, der Kaiser der Griechen, und meine Familie, hochgeborene Fürsten, dir auch nicht, wenn mir etwas widerfährt. Verlass dich drauf, sie finden dich! Und was dann passiert, das kannst du dir in deinen schlimmsten Träumen nicht ausmalen!«
Der Vierschrötige kratzte sich erst am Kopf, dann in wachsender Ratlosigkeit am Gemächt. Schließlich rieb er sich unschlüssig die Nase. Nachdem er den Rotz hochgezogen und ausgespien hatte, schlug er dem zweiten Wachmann ins Gesicht, dass der das Schwert fallen ließ und aufschrie. Den beiden hinter ihm Stehenden befahl er, den Verletzten aus dem Schuppen zu holen.
»Legt das Schwert weg!« Ein Armbrustschütze zielte auf ihn. Alexios lachte und warf die Waffe zur Schuppentür. Ein Wink des Anführers genügte und ein anderer Reisiger holte den Stahl heraus. Dann wandte sich der Vierschrötige an seine Männer. »Wer den Gefangenen ein Haar biegt, den knüpf ich mit eigenen Händen an den nächsten Ast!«
Die Tür wurde geschlossen. Clara und den Fürsten umgab wie ein Mantel die Finsternis. Sie hörten, wie die Männer abzogen. Das Schreien des Verwundeten ließ nach.
»Gott lohn’s Euch!«, sagte Clara leise.
Alexios nahm sie in den Arm und flüsterte: »Ist sicherer!«
So schliefen sie ein.
2
Residenz des ungarischen Königs, Buda
Drei Tage später erreichten sie ohne weitere Zwischenfälle die Stadt Buda. Sowohl der Vierschrötige als auch seine Männer behandelten Alexios und Clara inzwischen mit einer gewissen Scheu. Um den Burgberg wechselten sich reiche Gehöfte und armselige Hütten ab. Die Wehrmauern der riesigen Burg, die beständig erweitert wurden, umfassten inzwischen die eigentliche Stadt. Wer es sich leisten konnte, wohnte innerhalb der Burg, und wer nicht, versuchte es zumindest aus Angst vor den Türken, die ihre Renner und Brenner bis in das Weichbild von Buda ausschickten.
Man brachte sie in den spitz aufragenden Turm hinter dem Palast. Allerlei neugieriges Volk schaute dem Zug nach und schien sich zu fragen, wer der Mann und die Frau auf dem Leiterwagen wohl sein mochten. Wie gewöhnliche Verbrecher sahen sie nicht aus. Aufgrund des dunklen Teints des Fürsten vermuteten einige, dass es sich um den Teufel und seine Buhlschaft handele. Ja, sie wirkten eher wie Ketzer oder Satansdiener.
Man kerkerte sie im Keller des Turmes ein. Alexios löste die Fesseln des Hundes, den er streichelte und beruhigte. Der Tag verging mit einer Wassersuppe, die man ihnen reichte. Das Stroh auf dem Steinboden war faulig und nicht allzu reichlich. Es stank nach menschlichem Schicksal und körperlicher Not von Generationen, die sich wie eine Schicht über den schwarzen, schmierigen Stein des Gemäuers gezogen hatten.
Spätabends weckte sie der Vierschrötige, den sechs seiner Leute begleiteten. Sie nahmen Clara mit sich. Von der Gittertür aus warf sie Alexios noch einen Blick zu. Obwohl sie eine erwachsene Frau war, fiel ihm nur ein Ausdruck ein, der sich in ihm festsetzte: die große Angst eines kleinen Mädchens. Mitten ins Herz traf ihn die Anklage, die in ihrem Blick stand: sie abgewiesen zu haben. Er sprang auf, wollte sie zurückholen oder mit ihr gehen, aber da drehte sich bereits rasselnd der Schlüssel im Schloss der Kerkertür.
Wenig später vernahm der Fürst nur noch erbarmungswürdige Schreie, ihre Stimme, die ihn ihrem eigenem Schmerz wie in Blut erstickte. Das Bellen des Hundes ging in ein Jaulen über. Alexios wehrte sich gegen die Bilder, die in ihm aufstiegen, Bilder des langsamen Todes. Zugleich wunderte er sich über den Gefühlssturm, der sich in seinem Inneren erhob. Sie war doch nur eine Frau. Verlustmasse in dem großen Spiel, das man Leben nannte. Doch die Verwunderung versiegte. Zurück blieb die Scham.
Einige Zeit später holte man auch ihn. Er hatte kein Gefühl mehr dafür, ob Minuten oder Stunden vergangen waren. Alexios warf dem Hund noch einen Blick zu. »Ich komme wieder, Înger.« Der Kuvasz schlug an.
»Verdammte Töle! Macht ganz dumpf in der Rübe!«, schimpfte der Vierschrötige.
Der Fürst rammte ihm
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