Byzanz
die Physiognomie der Gemeinheit. Das Gesicht glänzte vor Selbstzufriedenheit wie eine Speckschwarte. Dieser Mann benötigte seine kleine Macht, um sie zu missbrauchen. Davon lebte er. »Bah, Lesen und Schreiben ist gut für Pfaffen, nicht für Männer.«
»Wenn du ein richtiger Mann bist, woran ich zweifele, dann gib mir doch ein Schwert und wir machen einen kleinen Waffengang, du Großmaul!«, brüllte Alexios in die lachende Runde und strahlte dabei über das ganze Gesicht. Das Lachen erstarb. Böse, giftige Stille trat ein. Alle sahen erwartungsvoll auf den Anführer. Dessen schrundiges Gesicht lief rot an.
»Was ist nun, Prahlhans?« Alexios feixte, während die stumpfen Augen des Anführers sich zu einem Schlitz verengten, aus dem Hass schoss.
»Mein Herr hat mich verboten …«
»Dein Herr hat dich verboten? Nicht etwa dir verboten? Recht so. Recht so. Oh weh, o weih, darf sich nicht schlagen, traut sich nicht, sich zu schlagen, der große Schisser. Es stinkt … es stinkt nach Feigheit!«, ahmte Alexios den Vierschrötigen, allerdings in weinerlichem Tonfall, nach. Der Anführer riss einem Armbrustschützen die Waffe vom Rücken, spannte sie, zielte auf den Fürsten, verharrte in dieser Position – nur ein winziges Zittern verriet, dass er nicht erstarrt war – und schoss schließlich absichtlich vorbei. Dann warf er wütend die Waffe zu dem Schützen, von dem er sie hatte. »Ihr verleitet mir nicht! Ich habe ’ne eigene Klugheit. Los, weiter!«
Alexios bedauerte, dass seine kleine Provokation nicht zu einem Duell geführt hatte. Aber einen Versuch war es immerhin wert gewesen.
Die nächste Nacht verbrachten sie bei einem Bauern. Clara und Alexios wurden in einen fensterlosen Schuppen gesperrt, vor dem abwechselnd jeweils zwei Reisige Wache hielten. Clara begehrte keine Zärtlichkeiten mehr von Alexios – es schien ihr jetzt sogar peinlich zu sein, jemals gefragt zu haben. Auf einmal wirkte sie seltsamerweise zuversichtlich. Oder hatte sie sich nur in ihr Schicksal gefügt? Alexios wurde nicht schlau aus dieser Frau, mit der er mehr Zeit verbracht hatte als mit jeder anderen, bis auf seine Amme vielleicht.
Er musste eingeschlafen sein, denn er vernahm unterbewusst ein Rascheln. Schnell schlug er die Augen auf und entdeckte, dass zwei Wachleute Clara aus der Hütte schleppten. Einer umklammerte sie von hinten und hielt ihr den Mund zu, während der andere an ihren Füßen zerrte. Mit einer blitzschnellen Beinschere brachte Alexios den hinteren Mann zu Fall, sprang auf und trat ihm so fest ins Gesicht, dass er das Nasenbein knirschen hörte. Sein Schrei, der sich in ein nicht mehr enden wollendes Brüllen verflüssigte, schockierte den anderen Reisigen so sehr, dass der die Füße der Zofe losließ. Clara rollte sich zur Seite und sprang auf. Der Wachmann gaffte auf seinen Kameraden, der sich am Boden wand, heulte und sich die Hände vor das Gesicht hielt. Als sei er aus einer Trance erwacht, zog er sein Schwert und grollte dumpf: »Isch schtesch düsch ab … Isch schtesch düsch ab!«
Alexios trat vorsorglich dem am Boden Liegenden in die Weichteile, sodass das Gebrüll des Wachmanns in eine neue Dimension sprang, zog das Schwert aus dessen Gürtel und sagte kalt: »Komm her, probier es! Nur zu!«
Der Scherge konnte sich nicht recht dazu durchringen, Wut und Angst hielten sich in ihm die Waage. Inzwischen traf der Vierschrötige, nur mit Hose und Hemd bekleidet, das Schwert in der Hand, vor dem Schuppen ein und mit ihm weitere Männer seiner Truppe. »Was is hier los?«, bellte er mit schwerer Zunge. Seine Augen ähnelten stumpfem Glas.
»Der hat den Ischtvan die Noise zertrampelt, der Hundsfott, der … isch schtesch dön ab …«
Der Vierschrötige rülpste. »Halts Maul!«, fuhr er seinen Mann ärgerlich an, dann wandte er sich Alexios zu. »Was tut Ihr meinen Männern, Herr Fürst?«
»Du hast den Befehl, Clara von Eger und mich nach Buda zu bringen! Du hast aber nicht Order, Clara zu vergewaltigen und mich zu töten.«
Der Anführer lachte, allerdings viel zu laut und zu demonstrativ, als dass die Heiterkeit echt wirkte. »Ich hab euch in meiner Gewalt!«
»Und du, Hundesohn, bist in der Gewalt eines Höheren!«
»Der König …«
»Ich meine Gott, du Dummkopf! Aber auch Sigismund wird nicht sanft mit dir umgehen, wenn du deinen Auftrag nicht erfüllst. Dem, wie nanntest du ihn, Magister Flohschiss hast du ja nun auf die Nase gebunden, dass Sigismund befohlen hat, uns nach
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