C14-Crash
auch ein kritisches Licht auf die Substanz des sogenann-
ten Mesolithikums geworfen. Damit wird der Zeitraum zwischen dem Ende
der jüngsten Eiszeit und dem Neolithikum bezeichnet. Das Neolithikum liegt
stratigraphisch unter den Funden der Bronzezeit und besitzt damit eine unmit-
telbare chronologische Anbindung an die geschichtliche Zeit. Die Fundarmut
des Mesolithikums – das nach herkömmlicher Chronologie immerhin für die
Hälfte der Warmzeit gut sein müsste – wäre nicht mehr verwunderlich, wenn
das Datum für das Ende der Eiszeit entsprechend näher an das Neolithikum
heranrücken würde. Die Dauer des gesamten Holozäns verkürzte sich dann
um mindestens 4.000 Jahre.
Die Geologie hat seit je grundlegende methodische Probleme, quartäre
und tertiäre Funde im Sinne eines 60 Millionen Jahre währenden Zeitalters
der Säugetiere zu interpretieren. Die Annahme eines derartigen Zeitraumes
5. Tagebuch einer Enthüllung
203
erwuchs aus der Vorstellung, den Gang der Entwicklung der neuzeitlichen
Flora und Fauna nur im Rahmen eines derartig langen Zeitraumes erklären zu
können. Der Neokatastrophismus der modernen Geologie und die dynami-
schen Evolutionsmodelle der modernen Biologie haben dieser Annahme
schon längst den Boden entzogen, ohne aber das ursprüngliche chronologi-
sche Modell ebenfalls in Frage zu stellen. In einem Folgeband hat deshalb ei-
ner von uns [Blöss 2000] die hier begonnene Kritik quartärer Datierungsmetho-
den auf das Tertiär erweitert. Auch für das »Zeitalter neuen Lebens«, welches
die Perioden Tertiär und Quartär umfasst, kann festgestellt werden, daß sein
Chronologiegerüst mit veralteten und teils völlig überholten Annahmen kon-
struiert wurde. Damit ist sein Zusammenbruch zu erwarten. Da alle Szenarien
der Entstehung des Menschengeschlechtes in der Vorstellung Millionen von
Jahren währender Entwicklung steinzeitlicher Kulturen wurzeln, stünde auch
eine grundlegende Revision unserer Vorstellungen über die Vergangenheit
und Entwicklung unserer Gattung ins Haus.
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C14-Crash
6. Die Entdeckung und Entwicklung der C14-Methode
6.1 Die C14-Methode – Findelkind der Medizintechnik
Ohne die bis dahin beispiellose Konzentration von Mensch, Technik und
Geld im »Manhattan Project« zur Entwicklung der Atombombe (Dezember
1941 bis zum Ende des 2. Weltkrieges) hätte es 1949 mit Sicherheit keine
»Age Determinations by Radiocarbon Content« (Altersbestimmung anhand
des Gehaltes an Radiokarbon) gegeben. Wesentlich war, daß es in den U.S.A.
nach dem Ende des Krieges im August 1945 einen landesweit auf Hochtouren
arbeitenden hochtechnisierten Laborbetrieb gab und daß nunmehr eine große
Zahl forschender Naturwissenschaftler neue, vorzugsweise zivil ausgerichtete
Forschungsgebiete suchten.
Es mußten natürlich zusätzliche Umstände eintreten, um jene wissen-
schaftliche Entdeckung zu ermöglichen, die die Chronologie der Mensch-
heitsgeschichte so nachhaltig beeinflussen sollte. Eine der Mütter an der Wie-
ge der Radiokarbon- oder C14-Methode war zweifellos die Medizin bzw. die
Medizintechnik. Nicht zum erstenmal war diese Humanwissenschaft zur ent-
scheidenden Förderin der Naturwissenschaft geworden. Auch die Technik der
Röntgenstrahlung diente ursprünglich medizinischen Zwecken, entwickelte
sich dann aber zu einem der wichtigsten Untersuchungsinstrumente der
Atom- und Kernphysik, ja ließ diese im Grunde überhaupt erst entstehen. In
der Frühphase der Kernphysik war die Medizin weltweit einer der größten
Sponsoren für die Teilchenphysik.
So wurden etliche der vielen Fäden unserer Geschichte in den dreißiger
Jahren am neugegründeten Strahlungslabor in Berkeley unter der Federfüh-
rung von E.O. Lawrence geknüpft. In dieser Zeit konzentrierte sich die Arbeit
des Labors fast ausschließlich auf die Erzeugung von Isotopen für die medizi-
nische und biologische Forschung. Lawrence war der Ansicht, daß auf diese
Weise der Betrieb und vor allem die Weiterentwicklung des neuartigen Zy-
klotrons finanziell am ehesten sichergestellt werden konnte. Mit diesem Zy-
klotron stand eine Teilchen- bzw. Energiequelle zur Verfügung, die weitaus
effektiver zur Umwandlung natürlich vorkommender Atome eingesetzt wer-
den konnte, als herkömmlicherweise unter Verwendung mehr oder weniger
stark konzentrierter Quellen mit natürlicher Radioaktivität.
In Berkeley wurde das C14-Isotop 1939 – also erst 10 Jahre vor der
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