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C14-Crash

C14-Crash

Titel: C14-Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blöss / Niemitz
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methodische Probleme waren also aufgetaucht, von
    denen jedes mit Datierungsunsicherheiten von rund 1.000 C14-Jahren ver-
    bunden waren. Libbys globale Streuung der Meßwerte um rund 1.000 C14-
    6. Die Entdeckung und Entwicklung der C14-Methode
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    Jahre hat ihr modernes Äquivalent in der Binsenweisheit des »one date is no
    date« (vergleiche Kapitel 7.6), wonach die C14-Alter von archäologisch für
    gleichalt befundenen Proben um Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende diver-
    gieren können. Die von Art zu Art unterschiedlich starke Assimilation des
    C14-Isotops wird als Isotopenfraktionierung beschrieben und für korrigierbar
    gehalten, ohne daß jemals eine Änderung dieses Effektes mit der Zeit ernst-
    haft diskutiert worden wäre.
    Vielleicht wurde das alles so wenig kritisch betrachtet, weil Libby und
    seine Mitarbeiter in einem weiteren Artikel nunmehr archäologische Evidenz
    für die Stimmigkeit des Verfahrens präsentierten, die nun allen Erwartungen
    gerecht werden konnte. Wir werden diesen Artikel im nächsten Kapitel ge-
    nauer untersuchen und können vorwegnehmen, daß die Größenordnung der
    Schwankungen von rund 1.000 Jahren in den Messungen auch für die dort
    vorgestellten Proben wiedergefunden werden kann.
    Viele naturwissenschaftliche Effekte sind trotz anfänglicher krasser Miß-
    erfolge am Ende doch noch gefunden worden, weil transzendente Argumente
    oder Empfindungen (»Symmetrie«, »Einfachheit«, »Ästhetik«) Forschern aus-
    reichend Gewißheit gaben, um die Durststrecke zeitweiser Falsifizierung ihrer
    Hypothesen durchzustehen. Eine solche Einstellung wäre im Falle der C14-
    Methode im nachhinein gerechtfertigt gewesen (und sogar ein wenig zu be-
    wundern), wenn die anfangs gegebenen Schwierigkeiten mit der Zeit beseitigt
    worden wären.
    Doch das Gegenteil ist hier der Fall. Diese Schwierigkeiten ziehen sich
    durch die nächsten Jahrzehnte durch und zwingen die Forscher zu fundamen-
    talen Methodenanpassungen und -brüchen, nur um die tendenziell ausufern-
    den systematischen Schwierigkeiten im Rahmen zu halten. Für uns ist deshalb
    ein Argument wie: »Das war nur am Anfang so, später konnten die meisten
    Probleme doch gelöst werden« nicht stichhaltig. Libby war von Beginn an mit
    genau denselben Schwierigkeiten konfrontiert, die auch heute die Debatte der
    Fehler bestimmen. Es gibt eine Interdependenz zwischen anfänglicher Blind-
    heit und der mit der Zeit entwickelten verfeinerten Methodik, die den Blick
    auf die fundamentalen Schwächen gekonnt verdecken half.
    Weil am Beginn die große Schwäche des Ansatzes systematisch ignoriert
    bzw. »schön« gerechnet wurde, waren alle danach ausgearbeiteten Methoden
    mit derselben Augenwischerei verbunden. Die eigentlichen Probleme – insbe-
    sondere die Ungültigkeit des Simultanitätsprinzips – wurden zu keiner Zeit
    zur Kenntnis genommen und deshalb auch nicht bearbeitet. Jetzt kommen wir
    aber zu der Behandlung archäologischen Materials bekannten Alters durch
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    C14-Crash
    Libby, der damit eine zweite Phase der Überprüfung seines methodischen An-
    satzes eröffnete.
    6.6 Die »Curve of Knowns« 1949
    Libby war im Oktober 1945 einem Ruf an das »Department of Chemistry and
    Institute for Nuclear Studies« der University of Chicago gefolgt und hatte
    dort mit 36 Jahren als jüngster ordentlicher Professor einen Lehrstuhl in Che-
    mie übernommen. Er tat das auch, um weiter mit H.C. Urey zusammenarbei-
    ten zu können. Nur Urey sollte in den kommenden Jahren von der verrückten
    Idee Libbys Kenntnis haben, »den Beweis anzutreten, daß eine Datierung mit
    C14 die Geschichte der Zivilisation enthüllen könnte« [Taylor 1987, 152]. Libby
    übte komplette Zurückhaltung, wenn es um die C14-Datierung ging: »Er war
    der Meinung, daß die öffentliche Diskussion einer solch verrückten Idee ihn
    als Phantasten abstempeln und ihn weder Mittel noch Studenten zur Unter-
    stützung seiner Forschungen finden lassen würde« [Libby 1980, 1018f.]. Doch
    bereits zeitgleich zu dem ersten ernsthaften Experiment (der im vorangegan-
    genen Kapitel beschriebenen Aktivitätsmessung an modernem und an fossi-
    lem Methan) brachte die Post Libby bereits eine erste Herausforderung ins
    Haus, ein Paket mit altägyptischen Artefakten, geschickt von Kurator der
    Ägyptischen Abteilung des Metropolitan Museums von New York.
    J.R. Arnold, einer der Mitarbeiter Libbys, berichtete, wie es dazu gekom-
    men war: »In gewisser Weise hatte mich auch meine

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