C14-Crash
Datenmaterial
intern behandelt wird, hätten sie schon längst den Stab über ihrer einst hoff-
nungsvollsten Datierungshilfswissenschaft gebrochen.
In den für die eigenen Reihen bestimmten Veröffentlichungen wurde das
Thema »Meßungenauigkeit« dagegen sehr deutlich – und ohne irgendwelche
Rücksichtnahmen auf die Befindlichkeit der Archäologen – zur Sprache ge-
bracht: »Eines konnte aus dem Datenmaterial, das auf dem Symposium vor-
gelegt worden war, eindeutig abgelesen werden: Man war mit erheblichen
Meßfehlern aller drei Laboratorien, die die Bristlecone Pines vermessen hat-
ten, konfrontiert, da sich die Übereinstimmung replikater Messungen als ge-
nerell schlecht herausstellte« [Pilcher 1983, 10]. (Wir wissen nicht, ob die sog.
Replikate aus einem Holz erstellt worden waren, oder aus als gleichaltrig gel-
tenden Hölzern.) Diese 1983 anläßlich einer Tagung in Edinburgh getroffene
Feststellung gibt auch Auskunft über das lange Zeit gültige Motiv der irischen
Dendrochronologen, ihre Eichenchronologie möglichst autonom aufzubauen.
Man wollte der wissenschaftlichen Welt eine zweite Baumringchronologie
neben der Bristlecone-Pine-Chronologie anbieten, über deren Tragfähigkeit
sich die Wissenschaftler der Welt letztlich nicht einig werden konnten. Erst
als die Arbeit endgültig zu stagnieren drohte, sah man sich genötigt, den eige-
nen schwimmenden Baumringchronologien über einen C14-Mustervergleich
mit der einst so heftig kritisierten amerikanischen Bristlecone-Pine-Chronolo-
8.12
gie dann doch tentative Absolutdaten zu verschaffen.
R. Pardi und L. Marcus [1977] untersuchten 630 Einzelmessungen von
C14-Analysen identischer oder als gleichaltrig geltender, sog. replikater Pro-
312
C14-Crash
Nr.
Anomalität
1
Anomale Diffusionen (Reservoireffekte II)
2
Isotopenfraktionierung
3
Reservoireffekte I
4
Kontamination
5
Probenauswahl und -aufbereitung im Feld
6
Probenaufbereitung im Labor
7
Aktivitätsmessung
8
Hintergrundstrahlung
9
Halbwertszeit
10
Metafehler
8. Verwässerung statt Verbesserung – noch mehr Fehler!
313
8.13 Steigerung der Präzision unter gleichzeitiger Minderung der
Genauigkeit
Berücksichtigt werden in diesem Beispiel alle in Tabelle 8.14 aufgeführten Korrekturen als Zufal swerte zwischen 0 und 100%. Zugleich wird jeweils der antei-
lig (ausgezogener Balken) bzw. der maximal zu erwartende Fehler (gestrichelter
Balken) angegeben.
Das Beispiel hat schematischen Charakter. Es sol vor al em die Diskrepanz
zwischen dem üblicherweise aufgeführten Fehler eines C14-Datums (in der Re-
gel unter ±100 Jahren) mit dem sich tatsächlich systematisch ergebenden Fehler
(±300-600 Jahren) herausstel en. Diese prinzipiel e Diskrepanz beruht auf zwei
Gründen:
! Vernachlässigung von Fehlerquellen : Es ist unüblich, Korrekturfehler über die Korrektur hinaus zu berücksichtigen und dann zu summieren. Vielmehr wird
der übertragene Sinn einer Korrektur, nämlich der einer »Verbesserung«,
herangezogen, dem die Vergrößerung des Fehlers gewissermaßen entgegen-
steht. Hinzu kommt, daß die Berücksichtigung von Korrekturfehlern die Be-
herrschung der Korrektur voraussetzt, was für viele der hier aufgezählten Ar-
ten gar nicht zutrifft. So gesehen ist der Ansatz für den jeweiligen Fehler von
10% der betreffenden Korrektur viel zu niedrig.
! Angabe eines Ensembledatums : Wenn die C14-Daten eines Ensembles von ins-
gesamt N für gleichaltrig befundener Proben gemittelt wird, verringert sich
der entsprechende Fehler des Mittelwertes um den Faktor 1/ÅN. Erfahrungs-
gemäß ist die statistische Wahrscheinlichkeit, daß die Proben radiometrisch
tatsächlich gleichaltrig sind, stets sehr niedrig, häufig sogar nahe Null (verglei-
che Kapitel 3 und 7). Das bedeutet, daß die Korrekturen nicht beherrscht
werden bzw. daß die Korrekturfehler nicht ausreichend in Ansatz gebracht
wurden und der endliche mittlere Fehler viel zu niedrig angegeben wird.
Wir haben den Eindruck, daß auf die systematische Bilanz der Korrekturfehler
auch deswegen verzichtet wird, weil es die Datierungsmethode damit als zu um-
ständlich, zu komplex und eben auch zu unsicher herausstel en würde. Das Spek-
trum an Fehlerquel en verführt am Ende eher dazu, die darin liegenden Freiheits-
grade zur tendenziösen Interpretation in Richtung Präzision zu nutzen, statt eine
seriöse Summation der summarischen Unsicherheit zu betreiben und damit
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