C14-Crash
die
Datierungsmethode einer permanenten Kritik auszusetzen. Eine realistische
Sicht der Leistungsfähigkeit der C14-Methode würde ihr womöglich neue und
angemessenere Aufgabenfelder zuweisen können, wo es etwa mehr um synchro-
nistische Klammern statt um Absolutdatierung auf Biegen und Brechen gehen
könnte (vergleiche die Zusammenfassung in Kapitel 1). Die erhebliche Bandbrei-
te der Unsicherheit in dem wahren Alter kann auch als Interpretationsspielraum
genutzt werden, um vorgegebene Zeitstellungen zu reproduzieren. Aus der ei-
gentlich angezeigten Aussage – aufgrund der hohen Fehlerbandbreite des C14-
8.13
Datums könne das erwartete Datum nicht ausgeschlossen werden – wird dann
eine Bestätigung des Datums unter Angabe eines entsprechend niedrigen
Fehlers.
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C14-Crash
ben und kamen zu dem Schluß, daß die angegebenen Fehlergrenzen die Ge-
nauigkeit der Messungen nicht richtig wiedergeben. Störfälle im Labor sowie-
so die Unterschätzung von Zählfehlern führten zur Angabe signifikant zu klei-
ner Fehler. R.M. Clark widmete 1975 replikaten Messungen ebenfalls eine
eingehende Analyse und kam zu derselben Einschätzung: »Die tatsächlichen
Abweichungen zwischen Daten replikater Messungen ... waren signifikant
größer, als die angegebenen Standardabweichungen vermuten ließen« [Clark
1975, 52]. Clark betonte, daß die Abweichungen unter den Labors zufällig wa-
ren, also keinen Trend aufwiesen wie etwa, daß Labor A immer um 100 Jahre
jünger mißt als Labor B. Auf diese Arbeit und andere Beiträge von Clark
kommen wir im Kapitel 9 zurück, wenn es um die Interpretation schneller
Schwankungen der C14-Aktivität zum Zwecke eines Mustervergleiches zur
Anpassung schwimmender Baumringchronologien geht.
J. Klein et al. faßten 1982 den seinerzeit herrschenden mißlichen Stand
der Labortechnik anläßlich der Veröffentlichung einer »Konsens«-Kalibrier-
kurve zusammen: »Zahlreiche Kalibrierungen sind während der vergangenen
13 Jahre [seit dem 12. Nobel-Symposium 1969 in Uppsala] veröffentlicht
worden. ... Obwohl von allen [Labors] vergleichbare Langzeittrends in der at-
mosphärischen Konzentration des Radiokarbon angegeben werden, kommt es
doch zu einer signifikant unterschiedlichen Behandlung der kurzfristigen
Schwankungen. Die Vielzahl unterschiedlicher Kalibrierungen und die je-
weils einander widersprechenden Resultate, die entstehen, wenn der einen
oder der anderen Kalibrierung der Vorzug gegeben wird, hat zu Mißtrauen
bei einem Teil der Archäologen gegenüber der Kalibrierung im besonderen,
aber auch der Radiokarbonmethode im allgemeinen geführt« [Klein et al. 1982,
103 f.]. Die von Klein et al. veröffentlichte Kalibrierkurve war von einem in
Tucson (Arizona) abgehaltenen Workshop (»On the Calibration of the Radio-
carbon Dating Time Scale«) initiiert worden. Eine genaue Untersuchung auf
systematische Abweichungen zwischen den Datierungen von bis zu sieben
unterschiedlichen Laboratorien, die zu dieser Konsens-Kalibrierkurve beige-
tragen hatten, erbrachte nach wie vor erhebliche Differenzen [ebd., 104]. Das
angesprochene Mißtrauen der Archäologen beruhigte sich trotz aller Anstren-
gungen nicht. So fragte die Archäologin B.S. Ottaway noch 1986, warum die
Labors – trotz unübersehbarer Hinweise auf die Notwendigkeit systemati-
scher Qualitätskontrollen – keine sichtbaren Anstrengungen in diese Richtung
unternähmen?
Eines der Laboratorien, das über Diskrepanzen zu den Konsens-Daten zu
klagen hatte, war ausgerechnet das C14-Labor des British Museum. Alle zwi-
schen 1980 und 1984 bearbeiteten 470 Proben waren um durchschnittlich 200
8. Verwässerung statt Verbesserung – noch mehr Fehler!
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bis 300 Jahre zu jung datiert worden. Da in den wenigsten Fällen eine Neuda-
tierung möglich war, behalf man sich mit der Angabe von Korrekturvorschlä-
gen. Wie unsystematisch sich der »Fehler« ausgewirkt hatte, zeigte sich an ei-
ner Spanne von lediglich 10 bis immerhin 530 Differenzjahren in den Umda-
tierungsvorschlägen. Angesichts solcher Unsicherheiten drängt sich die Frage
auf, wie denn dann ein systematischer Fehler – der sich nur aufgrund eines
Trends und nicht einer zufälligen Schwankung offenbart – überhaupt gefun-
den werden kann? Beim British Museum sprach man im Zusammenhang mit
diesem peinlichen Vorfall von einer heilsamen Lektion, die zu einer längst
überfälligen Erneuerung des Zählsystems und zur
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