C14-Crash
Beschleunigermassenspektrometrie
(AMS) liegen hinsichtlich der Punkte 7, 8 und 10 (Hintergrundstrahlung, Aktivi-
tätsmessung und Metafehler) sicherlich günstigere Umstände vor, die bei be-
stimmten Meßreihen zu widerspruchsfreieren Ergebnissen führen werden (ver-
gleiche den Text zu Bild 7.2 ). Das berührt aber nicht die Schlußfolgerungen be-züglich der Bedingungen während der Lebens- und Lagerzeit.
Die paradox klingende, jedoch logische Folgerung ist, daß mit der systemati-
schen Berücksichtigung al er Korrekturfehler die Wahrscheinlichkeit möglicher
Gleichzeitigkeit solcher Proben wieder wächst, die ohne diese Akribie bei der
Fehlerbehandlung aus statistischen Gründen als ungleichzeitig zu behandeln wä-
ren. Mit anderen Worten: Die Zuerkennung höherer Ungenauigkeit kann be-
stimmte, zuvor als fehlerhaft oder korrupt bezeichnete Datensätze rehabili-
tieren. Ob das nach dem Geschmack der C14-Wissenschaftler ist, möchten wir
allerdings bezweifeln, denn am Ende käme auf jeden Fall ein Aktivitätswert bzw.
ein Datum mit deutlich höherer Ungenauigkeit heraus. Grundsätzlich verdoppel-
te sich dieser Fehler noch einmal, wenn für die Vergleichswerte absolutdatierter
Proben (Kalibrierung) ähnliche systematische Probleme zu berücksichtigen sind
(vergleiche dazu das folgende Kapitel 9).
Die hier gewonnenen Erkenntnisse können und müssen sogar auf andere ra-
diometrische Datierungsmethoden übertragen werden, bei denen vergleichbare
Probleme vorliegen. Wichtigster Kandidat ist die für die Datierung des Känozoi-
kums bedeutsame Kalium-Argonmethode, weil dort ein ähnlicher Korrekturbe-
darf besteht. Wegen der hohen Halbwertszeit des Kalium würde man bei Datie-
8.14
rungsunsicherheiten eines Mehrfachen von 20 Millionen Jahren landen (vgl. Blöss
[2000, 139ff.]) – und das ist die Größenordnung der Gesamtlänge des Känozoi-
kums von ca. 60 Millionen Jahren.
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C14-Crash
8.7 Zusammenfassung
Das ganze Kapitel 8 handelte von systematischen Korrekturen einerseits und
von unkompensierbaren Fehlern jenseits des mit dem radioaktiven Zerfall
verbundenen Meßfehlers andererseits. Begründete Korrekturen am ursprüng-
lichen Meßergebnis steigern dessen Präzision, mit diesen Korrekturen einher-
gehende Fehler steigern hingegen seine Ungenauigkeit (vergleiche die erste
Fußnote dieses Kapitels). Jede Korrektur beruht auf einer mehr oder weniger
stimmigen Annahme und weist von daher auch einen Fehler auf, der am Ende
mitbilanziert werden muß. Es ist »Stand der Technik«, daß auch die Berück-
sichtigung aller denkbaren Korrekturmöglichkeiten teilweise erhebliche
Schwankungen zwischen Proben übrig läßt, obwohl diese nach Abschluß aller
Prozeduren identische bzw. statistisch signifikant identische C14-Alter auf-
weisen müßten.
Wir sind mit der Abschätzung des Gesamtfehlers aus allen Korrekturen
auf eine Größenordnung von ± 600 Jahren gestoßen (Tabelle 8.14 ). Dieselbe
Größenordnung ergab sich bereits, das sei beiläufig erwähnt, bei der statisti-
schen Analyse der Daten, auf die Libby die ersten Untersuchungen der noch
neuen C14-Methode gestützt hatte. 600 C14-Jahre als summarischer Fehler
ist nicht einmal außergewöhnlich viel, wenn berücksichtigt wird, daß hier
zehn völlig unterschiedliche Fehlerquellen eingeflossen sind. Im Mittel sind
das ± 60 Jahre verbleibende Unsicherheit je Fehlerquelle, was jeweils weni-
ger als 1% Restunsicherheit bezogen auf die gemessene Aktivität ausmachte.
Die Trennschärfe der C14-Methode muß für chronologische Differenzierun-
gen, die in der Größenordnung weniger Jahrhunderte liegen sollen, als unge-
nügend bezeichnet werden.
Im vorangegangenen Kapitel 7 wurden Ursache und Interpretationsspiel-
raum der Meßfehler aus der statistischen Schwankung des radioaktiven Zer-
falls näher beleuchtet. Die C14-Methode ist angesichts von Daten, die in aller
Regel mit Fehlern aufwartet, die noch weit über dieses Maß hinausgehen, un-
verhoffte Nutznießerin dieser prinzipiellen Unsicherheit geworden: Fehler aus
den Korrekturen werden nicht sauber vom eigentlichen sog. Meßfehler ge-
trennt und dienen damit als eine Art Feigenblatt.
Im folgenden Kapitel 9 dreht sich alles um die Kalibrierung. Die Diskus-
sion dieser »Korrektur« wurde aus mehreren Gründen abgetrennt. Der we-
sentliche Grund lautet: Kalibrierung ist im strengen Sinne keine Korrektur,
sondern eine Umrechnung bzw. ein Abgleich. Die
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