C14-Crash
glaubten einige Archäologen bei ihren Datierungen nunmehr auf
die für manche recht mühevollen Stilvergleiche verzichten zu können; man
bekam ja die Daten 'frei ins Haus' geliefert und dazu noch von einer exakten
Naturwissenschaft« [Hrouda 1978, 16].
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C14-Crash
Grundsätzlich scheint es so zu sein, daß Arbeitsgebiete, die lange vor der
Entwicklung der C14-Methode über eine ausgefeilte Absolutchronologie ver-
fügten, diese trotz aller gegenteiligen Versuche und unter Nichtbeachtung von
C14-Daten methodisch unverändert weiterführen. So stellt das Lexikon der
Ägyptologie fest, daß C14-Daten grundsätzlich nicht als genügend zuverläs-
sig angesehen werden könnten und allenfalls für die Vorgeschichte einen un-
gefähren zeitlichen Anhalt geben würden [Helck et al. 1975, 970].
Während 1992 mit »Chronologies in Old World archaeology« [Ehrich 1992]
eine umfassende C14-basierte Chronologie Vorderasiens und insbesondere
Ägyptens erscheint (vergleiche auch Hassan/Robinson [1987]), stellt zur glei-
chen Zeit K.A. Kitchen in einem Übersichtsartikel zum Stand der Ägyptolo-
gie in World Archaeology fest, daß C14-Daten bei Chronologieproblemen
der Ägyptologie grundsätzlich nicht helfen könnten, weil deren summarische
Fehler über den strittigen Datierungsintervallen liegen würden [Kitchen 1991,
204].
Anders sieht es für Bereiche aus, die weitgehend ohne Absolutchronolo-
gie bzw. ohne überregionale Verzahnung relativer Chronologien geblieben
sind, wie etwa weite Bereiche Afrikas. Für Regionen, in denen wegen man-
gelnder vertikaler Kontinuität der Fundsituation die traditionellen Methoden
der Chronologie nicht greifen konnten, wurde nunmehr mit Hilfe der C14-
Methode ein vertikales und zugleich horizontales Datierungsnetz gesponnen
[Henry 1992].
Während eine relative Chronologie, die auf der typologischen Abfolge
von Artefakten aufbaut, zu einer Absolutchronologie verdichtet wird, indem
bestimmte Innovations- und Diffusionsraten (und natürlich auch Diffusions-
richtungen) für technologische Verfahren zugrundegelegt werden, kann der
auf sich allein gestellte C14-Chronologe die von ihm herausgemessenen asyn-
chronen Technologieentwicklungen in unterschiedlichen Regionen nur noch
anhand ökologischer Modelle interpretieren. Dabei muß er sich dann (in weit-
gehendem Widerspruch zum traditionellen Erklärungsansatz) auf die Unab-
hängigkeit der jeweils betrachteten Gesellschaften stützen.
Nach wie vor wird die Stimmung der meisten Historiker vielleicht am be-
sten durch einen Ausspruch wiedergegeben, den T. Säve-Söderbergh und I.U.
Olsson als Zitat eines »berühmten amerikanischen Kollegen« in einem Vor-
trag über C14 und Ägyptologie [1970, 35] wiedergaben: »Wenn ein C14-Da-
tum unsere Theorien untermauert, dann erscheint es direkt im Text der Veröf-
fentlichung. Wenn es diesen nicht völlig widerspricht, findet es in einer Fuß-
note Erwähnung. Wenn es jedoch völlig aus dem Rahmen fällt, so lassen wir
es einfach fallen.«
3. Methodisches – C14 auf dem Prüfstand
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Im Wortsinne dieser sarkastischen Differenzierung dürften die C14-Wis-
3.3 Bis heute gilt
trotz aller methodi-
senschaftler die allermeisten ihrer Daten sowieso nur als Fußnoten veröffent-
schen Anstrengun-
gen folgendes vor
lichen, denn die Qualität ihrer Daten steht zu häufig in diametralem Gegen-
mehr als 30 Jah-
ren geprägte Bon-
mot: »Wenn ein
satz zu den Anforderungen, die die Historiker im Interesse ihrer Arbeit an sie
C14-Datum unsere
Theorien unter-
eigentlich stellen müssen. Wenn wir eine weitere Parallele ziehen wollen, so
mauert, dann er-
scheint es direkt
sitzen auch die C14-Wissenschaftler an einem mächtigen Tisch, unter den sie
im Text der Veröf-
fentlichung. Wenn
alle völlig aus dem Rahmen fallenden Daten verschwinden lassen. »Nicht völ-
es diesen nicht
völlig widerspricht,
lig« und »völlig« aus dem Rahmen fallende Daten halten sich oft genug die
findet es in einer
Fußnote Erwäh-
Waage – ein Hinweis, wie nahe die Qualität akzeptierten Daten der Qualität
nung. Wenn es je-
doch völlig aus
der verworfenen Daten tatsächlich ist!
dem Rahmen fällt,
so lassen wir es
Historiker haben sich – über die selektive Kenntnisnahme von C14-Daten
einfach fallen«.
hinaus – immer wieder auf verschiedenste Weise mit dem Thema »C14-Da-
tierung« inhaltlich auseinandergesetzt, ohne je wirklich sicher gewesen zu
sein,
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