C14-Crash
festzustel ende Fundarmut für diesen Zeitraum [Heinsohn 32000] kann
darauf zurückgeführt werden, daß das Eckdatum für das Ende der Eiszeit falsch
gesetzt worden bzw. erheblich jünger anzusetzen ist [Blöss 2000].
3. Methodisches – C14 auf dem Prüfstand
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Für Mesopotamien – einer Region, die noch am besten absolutdatiert er-
schien – hoffte Müller-Karpe, daß durch zukünftige Ausgrabungen das Netz
archäologischer Vertikalabfolgen und Horizontalverknüpfungen immer fester
und feinmaschiger wird (siehe zu den Gründen des Mißtrauens gegenüber der
C14-Methode auch Textbox 3.1 ). Erst dann sollte über die Brauchbarkeit der
C14-Methode neu verhandelt werden: »Im selben Maße, wie dies der Fall ist,
wird sich auch klarer beurteilen lassen, inwieweit Radiokarbonbestimmungen
für die Gewinnung einer absoluten Chronologie (...) nutzbar zu machen sind.
Bereits jetzt liegen zahlreiche C 14-Untersuchungen vor, und man ist wohl
berechtigt, sie bis zu einem gewissen Grad mitzuberücksichtigen. Ausschließ-
lich oder auch nur primär von den C 14-Werten auszugehen, würde im gegen-
wärtigen Stand der Erprobung dieses physikalischen Forschungszweiges nicht
gerechtfertigt sein und würde zudem kein widerspruchsfreies System erge-
ben« [1968, 72].
Denn so verlockend es angesichts nicht vollkommener Horizontalver-
flechtungen insbesondere zwischen den mediterrasischen und den ägyptischen
bzw. mesopotamischen Erscheinungen sei, den »facheigenen methodischen
Weg subtiler archäologischer Analysen und Verknüpfungen zu verlassen und
primär Radiokarbonbestimmungen zur Grundlage einer Chronologie zu ma-
chen, so scheint dies augenblicklich doch wohl nicht gerechtfertigt zu sein,
wenngleich die vorliegenden C 14-Untersuchungen natürlich allgemein mit
berücksichtigt werden müssen« [1968, 83]. Endgültig genug von der C14-Me-
thode hat Müller-Karpe aber im Zusammenhang mit der Beschreibung der
Kupferzeit und den »extrem hohen C 14-Werten« für die westeuropäischen
Megalithkulturen und für frühkeramische Komplexe Ostasiens, und er läßt
sich noch auf diese letzte abschließende Kommentierung ein: »Hier sieht sich
der Prähistoriker heute in einem Gewissenskonflikt: soll er dieser naturwis-
senschaftlichen Methode strikt vertrauen, obgleich er sieht, daß immer neue
Fehlerquellen dieser Methode gefunden werden und eine Menge Bestimmun-
3.1
gen bekannt sind, die irgend etwas, nur nicht das Alter in Sonnenjahren aus-
drücken; oder soll er im Hinblick darauf es vorziehen, in facheigener Verant-
wortung zunächst den historischen Quellen und Methoden zu vertrauen und
naturwissenschaftliche Bestimmungen nur insoweit zu verwenden, als die da-
bei angewandten Methoden hinreichend erprobt sind und ihre Anwendungsart
in einem überprüfbaren Verhältnis zu den erzielten Ergebnissen steht?«
Angesichts des augenblicklichen Forschungsstandes, so formuliert Müller-
Karpe vornehm zurückhaltend, scheine die letztere Einstellung die Berechtig-
tere zu sein [1974, 13 f.]. Im vierten Band, der die Bronzezeit behandelt [1980],
verweist Müller-Karpe nicht einmal mehr auf irgendwelche C14-Daten, wie
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C14-Crash
er es – wenn auch zuweilen geradezu angewidert – in den drei Bänden zuvor
getan hatte. Durch das Lager der Altertumswissenschaftler geht im Laufe der
siebziger Jahre zunehmend ein Riß. Der Grund liegt in der Veröffentlichung
einer ersten kompletten Chronologie der C14-Konzentration der Atmosphäre,
der Bristlecone-Pine-Chronologie. J. Hoops, der das Stichwort »Radiokar-
bonmethode« im REALLEXIKON DER GERMANISCHEN ALTERTUMSKUNDE [Bd.4 1981,
629] bearbeitete, kommt damit zu ganz anderen Schlußfolgerungen als Müller-
Karpe.
Insbesondere in der Bronzezeit sei es nach der dendrochronologischen
Korrektur der 14C Daten verschärft zu Schwierigkeiten gegenüber der kom-
parativ-typologischen Methode gekommen. Die C14-Datierungen schlügen
nunmehr für das mittel- und nordeuropäische Neolithikum sowie für den kup-
ferzeitlichen Abschnitt deutlich höhere Altersangaben vor. Während die nord-
europäischen Fachkollegen rasch die Möglichkeiten der Radiokarbondatie-
rung aufgegriffen und genutzt hätten, »hielt die mittel- und südeuropäische
Forschung, von Ausnahmen abgesehen, noch lange an der herkömmlichen ar-
chäologisch-historischen Datierung fest und verteidigten diese mitunter sogar
hartnäckig« [ebd., 637]. Die absolute Chronologie des
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