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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Admin
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auf.
    »...findest du nicht?« sagte Sheryl.
    »Pardon?«
    »Wird Zeit, daß wir gehen«, wiederholte Sheryl. »Findest du nicht, es wird Zeit, daß wir gehen?«
    »Oh.«
    »Du nimmst es mir hoffentlich nicht übel, wenn ich dir sage, daß du beschissen aussiehst.«
    »Danke.«
    Lori streckte die Hand aus, weil sie Halt brauchte.
    Sheryl ergriff sie.

    75

    »Du hast alles gesehen, was du sehen mußtest, Liebes«, sagte sie.
    »Ja...«
    »Laß es dabei bewenden.«
    »Weißt du, es scheint immer noch nicht wirklich zu sein«, sagte Lori. »Sogar wenn ich hier stehe. Sogar jetzt, wo ich die Stelle sehe. Ich kann es nicht recht glauben. Wie kann er so... so unwiederbringlich dahin sein? Es sollte eine Möglichkeit geben, daß wir einander erreichen, findest du nicht, eine Möglichkeit, sie alle zu erreichen und zu be-rühren.«
    »Wen?«
    »Die Toten. Sonst ist doch alles Unsinn, oder nicht? Es ist alles sadistischer Unsinn.« Sie befreite sich von Sheryls Griff, legte die Hand an die Stirn und rieb sie mit den Fingerspitzen.
    »Tut mir leid«, sagte sie, »ich stammle ziemlich sinnlos, was?«
    »Im Ernst? Nein.«
    Lori warf ihr einen langen verzeihungsheischenden Blick zu.
    »Hör zu«, sagte Sheryl, »die alte Stadt ist nicht mehr, was sie einmal war. Ich finde, wir sollten von hier verschwinden und sie dem Verfall überlassen. Was meinst du?«
    »Würde ich auch sagen.«
    »Ich denke nur...« Sheryl verstummte.
    »Was?«
    »Die vielen Toten.«, sagte sie.
    »Welche Toten?«
    »Hinter dem Hügel. Dort ist ein verdammter Friedhof.«
    »Wirklich?«
    »In deiner Verfassung ist es wahrscheinlich nicht gerade der ideale Anblick«, sagte Sheryl eilig. Aber Loris 76

    Gesichtsausdruck sagte ihr, daß sie die Information nicht freiwillig hätte preisgeben sollen.
    »Das solltest du dir nicht ansehen«, sagte sie. »Wirklich nicht.«
    »Nur ein oder zwei Minuten«, sagte Lori.
    »Wenn wir noch länger bleiben, müssen wir im Dunkeln zurückfahren.«
    »Ich werde nie mehr hierher kommen.«
    »Aber sicher. Du solltest dir die Sehenswürdigkeiten ansehen. Großartige Sehenswürdigkeiten. Häuser toter Menschen.«
    Lori lächelte ein wenig.
    »Ich beeile mich«, sagte sie und ging die Straße in Richtung Friedhof entlang. Sheryl zögerte. Sie hatte den Pullover im Auto gelassen, und es wurde kühl. Und sie hatte die ganze Zeit, seit sie hier waren, das Gefühl nicht loswerden können, daß sie beobachtet wurden. Da die Dämmerung so kurz bevorstand, wollte sie nicht alleine auf der Straße bleiben.
    »Warte auf mich«, sagte sie und eilte Lori hinterher, die die Friedhofsmauer bereits sehen konnte.
    »Warum ist er nur so groß?« überlegte Lori laut.
    »Das weiß Gott allein. Vielleicht sind sie alle auf einmal ausgestorben.«
    »So viele? Es ist doch nur eine Kleinstadt.«
    »Stimmt.«
    »Und sieh dir an, wie groß die Gräber sind.«
    »Sollte ich beeindruckt sein?«
    »Warst du drinnen?«
    »Nein. Und das möchte ich auch nicht.«
    »Nur ein kleines Stück.«
    »Wo habe ich das nur schon einmal gehört?«
    Lori antwortete nicht. Sie war jetzt am Friedhofstor und griff zwischen den Stäben hindurch, um den Riegel aufzu-77

    schieben. Das gelang ihr. Sie stieß eines der Tore so weit auf, daß sie hindurchschlüpfen konnte, und trat ein.
    Sheryl folgte ihr widerstrebend.
    »Warum so viele?« sagte Lori wieder. Es war nicht einfach Neugier, die sie diese Frage aussprechen ließ; dieses seltsame Schauspiel weckte wieder die Frage in ihr, ob Boone nur zufällig hier in die Enge getrieben worden war, oder ob Midian sein Schicksal gewesen war. War hier jemand begraben, den er gerne lebend gesehen hätte?
    Oder an wessen Grab hatte er seine Verbrechen gestehen wollen? Es war zwar nur eine Vermutung, aber diese Straßen der Grabmale schienen die schwache Hoffnung zu bieten, ein Verstehen zu bringen, welches das von ihm vergossene Blut nicht hätte bringen können, und wenn sie es studiert hätte, bis der Himmel einstürzte.
    »Es ist spät«, erinnerte Sheryl sie.
    »Ja.«
    »Und mir ist kalt.«
    »Wirklich?«
    »Ich würde gerne gehen, Lori.«
    »Oh... tut mir leid. Ja. Natürlich. Es wird sowie so dunkel, daß man kaum noch etwas sehen kann.«
    »Daß du das gemerkt hast.«
    Sie gingen den Hügel hinauf zur Straße zurück, wobei Sheryl das Tempo vorgab.
    Als sie den Stadtrand erreichten, war der letzte Rest Licht fast verschwunden. Lori ließ Sheryl zum Auto vor-ausgehen, blieb stehen und betrachtete den Friedhof ein letztes Mal.

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