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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Admin
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Türrahmen ins Halbdunkel dahinter. So rasch finster! So rasch kalt! Ein Schritt aus dem Sonnenlicht, und sie war in einer anderen Welt. Jetzt wurde ihr Schritt etwas langsamer, als sie durch das Schuttmeer zwischen Tür und Küche navigierte. Sie hatte nur eine einzige Absicht in ihrem Denken verankert: irgende in Beweis-stück zu finden, das Decker belasten würde. Alle anderen Empfindungen mußte sie verdrängen: Ekel, Kummer, Angst. Sie mußte ruhig und gelassen sein. Deckers Spiel spielen.
    Sie wappnete sich und trat durch den Bogen.
    Aber nicht in die Küche hinein, sondern nach Midian.
    Sie wußte in dem Augenblick, als es geschah, wo sie sich befand – Kälte und Dunkelheit der Grüfte waren eindeutig. Die Küche war einfach verschwunden: jede einzelne Kachel.
    Rachel, die mit besorgtem Gesicht zur Decke hinaufsah, stand ihr gegenüber in der Kammer. Sie sah Lori einen Augenblick an, zeigte aber keine Überraschung angesichts ihrer Anwesenheit. Dann wandte sie sich wieder ab und sah und lauschte.
    »Was ist denn?« fragte Lori.
    »Psst«, sagte Rachel schneidend, schien ihre Schroff-177

    heit dann aber zu bedauern und breitete die Arme aus.
    »Komm zu mir, Kind«, sagte sie.
    Kind. Das war es also. Sie war nicht in Midian, sie war in Babette und sah mit den Augen des Kindes. Die Erinnerungen, die sie auf der Straße so deutlich erlebt hatte, waren ein Vorspiel dieser Vereinigung der Seelen gewesen.
    »Ist das echt?« sagte sie.
    »Echt?« flüsterte Rachel. »Natürlich ist es echt...«
    Ihre Stimme versagte, sie sah ihre Tochter mit fragen-den Augen an.
    »Babette?« sagte sie.
    »Nein...«, antwortete Lori.
    »Babette. Was hast du getan?«
    Sie kam auf das Kind zu, das vor ihr zurückwich. Der Blick durch diese gestohlenen Augen brachte den Geschmack der Vergangenheit zurück. Rachel schien un-glaublich groß zu sein, ihr Gang ungleichmäßig.
    »Was hast du getan?« fragte sie zum zweiten Mal.
    »Ich habe sie hierher gebracht«, sagte das Mädchen,
    »damit sie es sieht.«
    Rachels Gesicht wurde wütend. Sie griff nach dem Arm ihrer Tochter. Aber das Kind war zu schnell für sie. Es lief davon, bevor sie es festhalten konnte, aus Rachels Reichweite. Loris geistiges Auge folgte ihr, und die Schnelligkeit machte sie schwindlig.
    »Komm zurück«, flüsterte Rachel.
    Babette achtete nicht auf den Befehl und floh in die Tunnel; sie duckte sich mit der Mühelosigkeit von jemandem, der das Labyrinth in- und auswendig kennt, um eine Ecke nach der anderen. Der Weg führte die Flüchtenden von den Hauptstraßen ab und in dunklere, schmalere Durchgänge, bis Babette sicher war, daß sie nicht verfolgt wurde. Sie waren zu einer Öffnung in der Mauer gekom-178

    men, die so schmal war, daß ein Erwachsener nicht hindurch konnte. Babette kletterte in ein Gewölbe, das nicht größer als ein Kühlschrank und ebenso kalt war; dies war das Versteck des Kindes. Hier saß sie, um wieder zu Atem zu kommen, und ihre empfindlichen Augen durchdrangen das Dunkel mühelos. Ringsum waren ihre wenigen Schätze versammelt. Eine aus Gras geflochtene und mit Frühlingsblumen gekrönte Puppe; zwei Vogelschädel, ei-ne kleine Sammlung Steine. Trotz ihrer Andersartigkeit war Babette in dieser Beziehung wie jedes andere Kind auch: empfindlich, geheimniskrämerisch. Dies war ihre Welt. Es war kein geringes Kompliment, daß sie sie Lori sehen ließ.
    Aber sie hatte Lori nicht nur hierher gebracht, damit sie ihren Schatz sehen könnte. Obe n waren Stimmen, so nahe, daß man sie deutlich hören konnte.
    » Puuuh! Sieh dir nur diese Scheiße an. Hier könnte man eine verdammte Armee verstecken.«
    »Sag so was nicht, Cas.«
    »Scheißt du dir in die Hosen, Tommy?«
    »Nee.«
    »Riecht aber so.«
    »Verpiß dich.«
    »Se id still, ihr beide. Wir haben hier etwas zu erledigen.«
    »Wo sollen wir anfangen?«
    »Wir suchen nach Spuren von Verwüstungen.«
    »Es sind Leute hier. Ich fühle sie. Decker hatte recht.«
    »Dann laß uns die Wichser heraustreiben, damit wir sie sehen können.«
    »Du meinst ... d a runter gehen? Ich geh' da nicht runter.«
    »Nicht nötig.«
    »Und wie, zum Teufel, bringen wir sie dann rauf, Arschloch?«

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    Die Antwort war kein Wort, sondern ein Schuß, der vom Gestein abprallte.
    »Das wird wie Fische in einem Faß schießen«, sagte jemand. »Wenn sie nicht raufkommen wollen, können sie für immer da unten bleiben.«
    »Wilde, die ein Grab graben!«
    Wer sind diese Leute? dachte Lori. Sie hatte die Frage kaum

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