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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Admin
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greifen, sollte die Sicherheit des Reviers bedroht sein. Das alles überraschte sie nicht. Shere Neck würde wahrscheinlich nie wieder einen Gefangenen haben, der so sicher in die Annalen der Scheußlichkeiten eingehen würde wie Boone. Wenn er aus der Haft entkäme, würde Eigermans unbescholtener Name von einer Küste zur anderen verflucht werden.
    Aber an der Geschichte war mehr als das dran, und das wußten sie beide. Der Chef war zwar nicht deutlich geworden, was den Zustand des Gefangenen anbetraf, aber es kursierten die wildesten Gerüchte. Der Mann war irgendwie unnormal; besaß Kräfte, die ihn sogar hinter Schloß und Riegel gefährlich machten.
    Daher war Cormack froh, daß er den vorderen Teil des Reviers bewachen mußte, während Koestenbaum die Zelle selbst im Auge behielt. Das ganze Revier war eine Festung. Jedes Fenster und jede Tür waren verrammelt.

    215

    Jetzt blieb nur noch, mit schußbereitem Gewehr dazusit-zen, bis die Kavallerie aus Midian zurückkehrte.
    Das konnte nicht lange dauern. Die Art von menschli-chem Abschaum, die sie wahrscheinlich in Midian finden würden – Süchtige, Perverse, Radikale – , würde innerhalb weniger Stunden ausgehoben und der Konvoi auf dem Rückweg sein, um die Wachen abzulösen. Morgen würde dann die Polizei von Calgary kommen und den Gefangenen übernehmen, und hier würde sich die Lage wieder normalisieren. Cormack war nicht zur Polizei gekommen, damit er so wie jetzt Wache schieben und schwitzen mußte – er war wegen der Gefühle da, die die Sommernächte brachten, wenn er zur Ecke South und Emmet runterfahren und dort eine der Professionellen zwingen konnte, eine halbe Stunde das Gesicht in seinem Schoß zu vergraben. Darum liebte er das Gesetz.
    Nicht wegen dieser Festungs-unter-Belagerungs-Scheiße.
    »Helfen Sie mir«, sagte jemand.
    Er hatte die Worte ganz deutlich gehört. Die Spreche-rin stand direkt vor der Tür.
    »Helfen Sie mir, bitte.«
    Die Bitte war so flehentlich, daß er sich ihr nicht ver-schließen konnte. Er ging mit gespannter Waffe zur Tür.
    Sie enthielt kein Glas, nicht einmal einen Spion, daher konnte er die Frau auf den Stufen nicht sehen. Aber er hörte sie noch einmal. Zuerst ein Schluchzen; dann ein leises Klopfen, das noch während es ertönte, schwächer wurde.
    »Sie müssen anderswo hingehen«, sagte er. »Ich kann Ihnen jetzt nicht helfen.«
    »Ich bin verletzt«, schien sie zu sagen, aber er war nicht sicher. Er preßte das Ohr an die Tür.
    »Haben Sie nicht gehört?« sagte er. »Ich kann Ihnen 216

    jetzt nicht helfen. Gehen Sie runter zur Ecke, zur Droge-rie.«
    Er bekam nicht einmal ein Schluchzen als Antwort, lediglich das leiseste Atmen.
    Cormack mochte Frauen; er spielte gern den Boß und Ernährer. Sogar den Helden, wenn es ihn nicht zuviel Anstrengung kostete. Es ging ihm gegen den Strich, einer Frau, die um Hilfe bat, nicht die Tür zu öffnen. Sie hatte sich jung und verzweifelt angehört. Nicht sein Herz wurde hart, als er an ihre Hilflosigkeit dachte. Er überprüfte zuerst, ob Koestenbaum nicht in der Nähe war und Zeuge wurde, wie er Eigermans Befehle übertrat, dann flüsterte er:
    »Halten Sie durch.«
    Und entriegelte die Tür oben und unten.
    Er hatte sie gerade einen Spalt geöffnet, als eine Hand hindurchschnellte, deren Daumen sein Gesicht zerkratz-te. Die Wunde ging um Haaresbreite an seinem Auge vorbei, aber das Blut färbte die halbe Welt rot. Er wurde halb blind nach hinten geschleudert, als die Tür von der anderen Seite aufgestoßen wurde. Aber das Gewehr ließ er nicht los. Er feuerte zuerst auf die Frau (der Schuß ging fehl), dann auf ihren Begleiter, der geduckt auf ihn zulief, um den Schüssen auszuweichen. Der zweite Schuß verfehlte ebenfalls, förderte aber Blut zutage. Freilich nicht das seines Opfers. Sein eigener Stiefel, samt Fleisch und Blut darin, wurde über den ganzen Fußboden verteilt.
    »Verfluchter, gütiger Himmel!«
    Er ließ das Gewehr in seinem Entsetzen fallen. Er wußte, er konnte sich nicht bücken und es wieder aufhe-ben, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, daher drehte er sich um und hinkte zum Schreibtisch, wo seine Pistole lag.
    Aber Silberdaumen war schon dort und schluckte die Kugeln wie Vitamintabletten.

    217

    Seines Schutzes beraubt und von der Gewißheit erfüllt, daß er sich nur noch ein paar Sekunden in der Vertikalen halten konnte, fing er an zu heulen.
    2
    Koestenbaum stand vor Zelle fünf Wache. Er hatte seine Befehle. Was auch immer hinter der

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