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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Admin
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verspäteten Schock seiner selbst zugefügten Verletzung, der seinem Körper zu schaffen machte, während die Fahrer und Beifahrer aus ihren Lastwagen und Autos ausstiegen und ihm zu Hilfe eilten. Die Worte, die die Helfenden zu ihm sprachen, erreichten seinen benommenen Verstand als Unsinn.
    Er dachte (hoffte), jemand hätte gesagt:
    »Ich hole ein Gewehr.«
    Aber er war nicht sicher.
    Er hoffte (betete), daß seine lallende Zunge ihnen gesagt hätte, wo sie die Verbrecher finden könnten, aber da war er noch weniger sicher.
    Doch wie die Leute um ihn herum, wußte er, daß sein blutender Fuß eine Spur hinterlassen haben mußte, die sie zu den Eindringlingen führen würde. Er verlor beruhigt das Bewußtsein.
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    »Boone«, sagte sie.
    Sein hagerer, bis zur Taille nackter Körper – vernarbt, eine Brustwarze fehlte – erschauerte, als sie seinen Namen aussprach. Aber er sah nicht zu ihr auf.
    »Machen Sie ihm Beine, ja?«

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    Narcisse stand unter der Tür und sah den Gefangenen an.
    »Solange Sie mich anschreien sicher nicht«, sagte sie zu ihm. »Lassen Sie uns ein wenig allein , hm?«
    »Keine Zeit für Ficki-ficki.«
    »Verschwinden Sie.«
    »Schon gut.« Er hob die Arme, eine spöttische Geste der Kapitulation. »Ich gehe.«
    Er machte die Tür zu. Jetzt waren nur noch sie und Boone da. Der Tote und die Lebende.
    »Steh auf«, sagte sie zu ihm.
    Er schlotterte nur.
    »Würdest du bitte aufstehen?« sagte sie. »Wir haben nicht viel Zeit.«
    »Dann laß mich hier«, sagte er.
    Sie übersah das Selbstmitleid, aber nicht die Tatsache, daß er sein Schweigen gebrochen hatte.
    »Sprich mit mir«, sagte sie.
    »Du hättest nicht zurückkommen sollen«, sagte er, und aus jedem seiner Worte sprach Niedergeschlagenheit.
    »Du hast dich unnötig in Gefahr gebracht.«
    Damit hatte sie nicht gerechnet. Vielleicht mit Zorn darüber, daß sie ihn im Sweetgrass Inn zurückgelassen hatte, damit er festgenommen würde. Vielleicht sogar mit Argwohn, daß sie mit jemandem aus Midian zurückgekommen war. Aber nicht mit dieser stammelnden, gebrochenen Kreatur, die wie ein Boxer, der ein Dutzend Kämpfe zuviel hinter sich hat, in einer Ecke kauerte. Wo war der Mann, den sie im Inn gesehen hatte, der vor ihren Augen die Beschaffenheit seines Fleisches selbst verändert hatte? Wo war die beiläufige Kraft, die sie gesehen hatte; und der Appetit? Er schien kaum imstande zu sein, den eigenen Kopf zu heben, geschweige denn, Fleisch an die Lippen.

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    Plötzlich wurde ihr klar, daß genau das das Problem war. Dieses verbotene Fleisch.
    »Ich schmecke es noch immer«, sagte er.
    Seine Stimme drückte soviel Scham aus; den Menschen in ihm ekelte es vor dem Ding, das er geworden war.
    »Dich trifft keine Verantwortung«, sagte sie ihm. »Du warst nicht bei dir.«
    »Jetzt bin ich es«, antwortete er. Sie sah, daß sich seine Nägel in die Unterarmmuskeln gruben, als würde er sich selbst unten halten. »Ich werde nicht mitgehen. Ich werde hier warten, bis sie kommen und mich aufknüpfen.«
    »Das wird nichts nützen, Boone«, erinnerte sie ihn.
    »Jesus...« Das Wort verfiel zu Tränen. »Weißt du alles?«
    »Ja, Narcisse hat es mir gesagt. Du bist tot. Also warum möchtest du dich hängen lassen? Sie können dich nicht töten.«
    »Sie werden einen Weg finden«, sagte er. »Mir den Kopf abschneiden. Das Gehirn rauspusten.«
    »Sag so etwas nicht.«
    »Sie müssen mich töten, Lori. Mich von meinem Elend erlösen.«
    »Ich will nicht, daß du von deinem Elend erlöst wirst«, sagte sie.
    »Aber ich!« antwortete er und sah sie zum ersten Mal an. Als sie sein Gesicht sah, fiel ihr ein, wie viele in ihn vernarrt gewesen waren, und sie begriff den Grund. Das Leid konnte keine überzeugenderen Fürsprecher haben als seine Knochen, seine Augen.
    »Ich will heraus«, sagte er. »Heraus aus diesem Körper.
    Heraus aus diesem Leben.«
    »Das kannst du nicht. Midian braucht dich. Es wird zerstört, Boone.«
    »Dann laß es! Laß es zerstört werden. Midian ist nur ein Loch im Boden, in dem Geschöpfe hausen, die sich hinle -

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    gen und tot sein sollten. Das wissen sie, alle. Sie haben nur nicht genügend Mumm, das Richtige zu tun.«
    »Nichts ist richtig«, hörte sie sich sagen (wie weit war sie gekommen, zu dieser nüchternen Relativität), »nur das, was man fühlt und weiß.«
    Seine gelinde Wut flaute ab. Die Traurigkeit, die ihr folgte, war umfassender denn je.
    »Ich fühle mich tot«, sagte er. »Ich weiß nichts.«
    »Das

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