Cachalot
Berührung einer Hand an seinem Arm und sah überrascht, daß es Cora war.
»Nein, Sorgen mach ich mir keine«, erklärte er. »Die Catodonten sind der Menschheit nicht offen feindlich gesonnen. Keine der großen Walarten ist das. Sie mögen nur unsere Gesellschaft nicht. Ich glaube, man kann das am ehesten als Gleichgültigkeit bezeichnen. Wir gehen ihnen auf die Nerven. Sie sind nicht nur die klügsten Cetacea, sondern auch die argwöhnischsten.
Aber Latehoht und Wenkoseemansa können sehr überzeugend sein. Ob sie diese Herde jetzt dazu bringen, sich mit uns abzugeben, wird in erster Linie davon abhängen, welche Laune die Anführer gerade haben. Wenn sie bereit sind, mit uns zu sprechen, dann wahrscheinlich nur, um sicherzustellen, daß wir nicht Jagd auf sie machen, in der Hoffnung, sie später einmal zum Reden zu bringen. Vielleicht versuchen sie, uns sobald wie möglich wieder abzuschütteln.«
»Also nicht beunruhigt, aber dennoch nervös. Das spüre ich.«
»So gut kennen Sie mich schon?« fragte er mit sanfter Stimme.
Sie zog die Hand von seinem Arm zurück. »Ich habe ein feines Gespür dafür, wenn jemand nervös ist. Das lernt man.«
»Sie sind so verdammt schlecht vorherzusagen«, sagte Sam, nachdem ein paar Minuten schweigend verstrichen waren. »Ich sagte schon, daß sie nicht offen feindselig sind, aber das bedeutet nicht, daß dieses Rudel nicht versteckt feindlich sein könnte. Ohne Zeugen könnten sie mit uns machen, was sie wollten, ohne befürchten zu müssen, daß es irgendwelche Vergeltungsmaßnahmen gibt. Das hier gültige Gesetz begünstigt sie in jeder Hinsicht.«
»Warum dann das Risiko eingehen?« wunderte sich Rachael.
»Weil das, was Wenkoseemansa gesagt hat, zufälligerweise zutrifft. Wenn irgendwelche von den eingeborenen Cetacea etwas über das Schicksal der hier vernichteten Städte und ihrer Bewohner wissen, dann sind es bestimmt die Catodonten.«
»Weil sie morbide Interessen haben?«
»Weil sie sich für alles interessieren, junge Dame – bloß nicht für die Aufrechterhaltung einer Beziehung zur Menschheit. Ich glaube, das ist ein Risiko, das wir wenigstens einmal eingehen müssen, und wir werden nie eine bessere Chance bekommen oder eine günstiger plazierte Gruppe als jetzt finden.« Er blickte in die wachsende Dunkelheit hinaus.
»Jedenfalls habe ich Vertrauen zu Latehoht und Wenkoseemansa. Wenn sie gereizt oder streitsüchtig scheinen, wenn sie etwa in der Paarung begriffen sind, dann werden die Orcas sich fernhalten und unsere Bitte nicht vorbringen.«
»Sollten Sie nicht auf der Brücke sein?« staunte Merced.
»Wozu? Um unser armseliges Waffensystem zu betreiben?« Er wies mit der Fernsteuereinheit auf den Horizont. »Dort draußen sind zwei- oder dreihundert Catodonten. Wenn sie bereit sind, mit uns zu sprechen, werden sie uns in einer Minute umgeben. Die meisten von ihnen sind wahrscheinlich größer als dieses Schiff. Wenn sie freundlich sind, ist alles gut. Wenn sie es sich in den Kopf setzen, unangenehm zu werden – dann stehen wir einem Feind mit jeweils zwölf- bis zwanzigtausend Tonnen intelligenter Masse gegenüber. Beten wäre da so ziemlich alles, was wir tun könnten.«
Es war beinahe dunkel, und von den Besuchern immer noch keine Spur zu sehen. Cora hatte sich für gut vorbereitet gehalten, aber sie vergaß all ihre Vorbereitung und fiel gegen die Kabinenwand und stieß ein erstauntes >Oh!< aus. Rachael wirkte gefaßter, wahrscheinlich war sie zu verblüfft, um sich bewegen oder etwas sagen zu können. Selbst Sam trat unwillkürlich ein oder zwei Schritte zurück. Intellektuelles Wissen allein vermag nie die alten rassischen Ängste auszuschalten, die der Mensch allem entgegenbringt, das größer und stärker ist als er. Manchmal kann das Wissen jene Angst verdrängen, aber nicht auf einer fremden Welt, kurz vor Einbruch der Nacht.
Der Kopf, der vor dem nächtlichen Himmel aufragte, war gute sechs Meter lang und wog bestimmt nicht weniger als zwanzig Tonnen, wahrscheinlich mehr. Ein langes, schmales Unterkiefer hing geöffnet darunter und zeigte scharfe Elfenbeinzähne, größer als eine Faust. Ein absurd winziges Auge, nahe genug, daß man es fast berühren konnte, funkelte über die Reling und zuckte, als es sie mit unverkennbar verächtlicher Langeweile musterte.
Der Spermwal oder Catodon balancierte auf seinem Schwanz. Der größte Teil des gigantischen Schädels stach senkrecht aus dem Wasser. Der Kopf allein wog mehr als das ganze
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