Cademar-Günstling der Magie
ragende Lichtfeste zu sehen war. Von diesem Ort musste Cademar so weit wie möglich weg.
»Hör mir zu«, wandte er sich an Urlat. »Ich muss weggehen. Jetzt gleich. Du darfst niemandem sagen, was geschehen ist.«
»Aber wohin willst du gehen?«
»Ich weiß es nicht. Weg von der Magie, weg von der Lichtfeste. Vielleicht nach …« Er verstummte. Ob die Magier seinen Freund zwingen würden, etwas zu verraten? Das durfte er nicht riskieren. »Ich weiß noch nicht«, schloss er und legte seine rechte Hand auf die Schulter seines Freundes, bevor dieser nachfragen konnte. »Leb wohl.«
Urlat tat das gleiche. »Pass auf dich auf.«
Als Cademar am elterlichen Hof ankam, vernahm er das Geräusch der Axt, die in Holz geschlagen wurde, und die Stimmen seiner Eltern, die sich im Hinterhof unterhielten. Leise betrat Cademar das Haus und eilte die Treppe hinauf in sein Zimmer. Er durfte nicht riskieren, auf den Einbruch der Nacht zu warten, vielleicht konnten die Magier wirklich fliegen, wie man munkelte, oder ihre Reise magisch beschleunigen – sie konnten schon ganz in der Nähe sein. Hektisch stopfte Cademar einige Kleider in seinen Rucksack.
»Gehst du weg?«
Cademar fuhr herum. Im Türrahmen stand Marna, seine jüngere Schwester, die zehn Jahre alt war. Das blonde, zierliche Mädchen schaute ihn mit großen Augen an. Er trat zu ihr und nahm sie bei den Schultern. »Ja. Ich muss weggehen.«
»Darf ich mitkommen?«
Cademar schüttelte den Kopf.
»Wann kommst du wieder?«
»Das weiß ich noch nicht. Aber du darfst keinem etwas darüber sagen. Es ist ein Geheimnis, verstehst du?«
Marna nickte. »Ich suche dich, wenn du dich verläufst.«
Cademar lächelte. »Wir sehen uns wieder, irgendwann.« Er schnallte den Rucksack auf seinen Rücken.
In ihren Augen sah er den Ausdruck grenzenlosen Vertrauens. Sie würde ihn sehr vermissen, denn sie standen sich sehr nahe. Er nahm seine Schwester in den Arm. »Pass auf unsere Eltern auf.« Cademar fühlte, wie sie an seiner Schulter nickte. »Und jetzt geh in dein Zimmer. Warte einige Zeit, bis ich weg bin. Und sag unseren Eltern nichts davon.«
Schnell ging Cademar die Treppe hinunter und in die Küche. Er steckte zwei Äpfel in die Taschen seiner Jacken, als die hintere Tür geöffnet wurde und seine Eltern hereinkamen.
Ratum ging voran. Seine schwarzen Haare klebten auf der Stirn und Schweißgeruch erfüllte augenblicklich den Raum. Als er seinen Sohn mit gepacktem Rucksack in der Mitte der Küche sah, blieb er stehen.
Hinter ihm trat Samka herein. Cademars Mutter war eine zierliche, blonde Frau, in der mehr Kraft und Entschlossenheit steckte, als man zunächst vermutete. Während Ratum seinen Sohn nur fragend anstarren konnte, stürmte sie nach vorne und baute sich vor Cademar auf. »Wohin willst du?«, fragte sie.
»Ich muss weg.« Er wollte sich abwenden, doch seine Mutter hielt ihn am Arm fest.
»Wohin?«, wiederholte sie bestimmend.
Cademar wusste, dass er seinen Eltern nichts vormachen konnte. »Ich bin ein Günstling der Magie«, sagte er und hob seine rechte Hand, damit sie den Manuskristall sahen, den er bislang vor ihnen verborgen gehalten hatte. »Die Kristallkugel der Magier hat mich gefunden.«
Seine Eltern schauten sich an. In ihren Gesichtern sah Cademar keine Überraschung – was wiederum ihn überraschte.
»Wir haben die Magie bei dir bemerkt«, sagte seine Mutter. »Aber du musst nicht sofort zur Lichtfeste gehen. Ein Magier wird dich abholen, wenn es soweit ist.«
»Ich gehe nicht zur Lichtfeste.«
Nun – endlich – wirkten seine Eltern überrascht.
»Was sagst du?«, fragte sein Vater, legte seinen Mantel ab und setzte sich an den Tisch.
»Ich möchte kein Magier werden, sondern Bauer. Und ich will nicht aus Klarbach weggehen.«
»Du warst gerade dabei, von hier wegzugehen«, erwiderte sein Vater.
»Ja, für den Moment. Vielleicht vergessen mich die Magier, wenn sie nächstes Jahr andere Günstlinge finden, oder vielleicht verliere ich die Magie wieder, wenn die Magier mich nicht ausbilden.«
»Sie werden dich suchen«, stellte seine Mutter fest.
»Ja, ich weiß. Ich werde so weit wie möglich von der Lichtfeste weggehen.«
»Ich kann verstehen, dass du Angst hast, Cademar.« Seiner Mutter stiegen Tränen in die Augen, sie zog ihn an sich heran, und Cademar erwiderte die Umarmung. »Aber du bist von der Magie erwählt worden. Es ist dein Schicksal, dich mit ihr zu befassen. Sie wird nicht einfach verschwinden, wenn du wegläufst,
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