Cademar-Günstling der Magie
Eltern erst von Marna berichteten.
Von dem Tag an, als Cademar von zu Hause weggelaufen war, hatte sie unablässig nach ihm gefragt, und sie war während des Sommers schon einige Male nach Klarbach oder in den nahen Wald gegangen, weil sie hoffte, ihn dort zu finden. Jedes Mal hatten Ratum oder andere Klarbacher sie finden können, bevor sie sich verirrte. Doch aus ihren verzweifelt wirkenden Versuchen, ihren Bruder zu finden, wurden bald echte Versuche, von zu Hause auszureißen.
Und eines Morgens im letzten Herbst, als der Winter immer näher kam, war sie verschwunden. Ratum hatte die ganze Umgebung und Junkerstatt nach ihr abgesucht, doch es gab keine Spur von ihr. Er zog immer weitere Kreise, fragte sogar in Halburg nach ihr, ging ins Gebirge im Norden und wäre bei seiner langen Suche fast selbst erfroren – aber Marna fand er nicht, sie blieb verschwunden.
Während des harten Winters hatten sie alle Hoffnungen fahren lassen müssen, ihre Tochter jemals lebend wiederzusehen. Sie war sicher in den Schneemassen umgekommen, die sich in den Wochen nach ihrem Verschwinden über das Land gelegt hatten.
Dann war der Schnee geschmolzen, der Frühling hatte seine Kraft entfaltet. Doch Ratum fand keinen Mut mehr, den Hof wieder auf Vordermann zu bringen und sein Leben als Bauer wieder aufzunehmen. Es sah so aus, als hätte er beide Kinder verloren, und er verzweifelte daran. Samka war machtlos. Sie versuchte alleine, den Hof zu bewirtschaften, und anfangs halfen ihr andere Klarbacher, doch diese mussten sich um ihre eigenen Felder und ihre eigenen Familien kümmern.
Nun, wo Ratum seinen Sohn wiedersah, kehrte das Leben in ihn zurück. Er wollte wissen, wie es Cademar ergangen war.
Der hatte viel zu erzählen – wie er vor den Magiern geflohen war, die Begegnung mit Malkom, seine Zeit auf der Zuflucht und deren Fall. Er verschwieg, dass Flana an deren Sturz beteiligt war, sondern sagte, sie sei wie er ein Günstling in der Zuflucht gewesen. Es war nicht das Einzige, über das er den Mantel des Schweigens ausbreitete. Auch dass er der Famulus des Bewahrers war, verschwieg er, sondern schilderte nur, dass er auf der Lichtfeste zum Magier ausgebildet worden war, wie viele andere aus der Zuflucht. Cademar kam ins Stocken, als seine Erzählung bei der Dämmerschlucht ankam. Konnte er seinen Eltern wirklich eröffnen, was es mit dem Land Tennla auf sich hatte? Nach einem kurzen Seitenblick zu Flana, die ihn ermutigend anschaute, schilderte er es. Er erzählte von Tennla, von Glimmberg, von Schened – und dass Kolom in Wirklichkeit aus diesem Land kam und schon lange keine Magie mehr in sich trug.
Während Cademar redete, kümmerte sich Samka ausnehmend um Flana, die sich für alles, was ihr aufgetischt wurde, höflich bedankte.
Alle waren erschöpft, als alles gesagt war. Die Nacht war schon tief, und Cademar und Flana gingen nach oben in sein Zimmer. Zuerst wollte er ihr anbieten, in Marnas Bett zu schlafen, doch ganz selbstverständlich legte sie sich zu ihm, und Arm in Arm schliefen sie ein.
Am nächsten Morgen frühstückten sie alle schweigend. Während die anderen noch aßen, erhob sich Ratum. Kurz und heftig umarmte er Cademar und die überrumpelte Flana. Dann zog er seine Jacke an, ging durch die Hintertür hinaus. Nach einigen Augenblicken war leise das Geräusch der Sense zu hören, die durch das Getreidefeld gezogen wurde.
Tränen flossen Samkas Wange herab, und dankbar schaute sie zu Cademar und Flana.
Gegen Mittag mussten die beiden aufbrechen. Cademar konnte nicht riskieren, noch länger bei seiner Familie zu bleiben, auch wenn er den innigen Wunsch dazu spürte. Er verabschiedete sich herzlich von seinen Eltern und versprach, bald zurückzukehren – und dass er alles tun würde, was in seiner Macht stand, um Marna zu finden.
Das sagte er, doch in seinem Herzen wusste er, dass diese Suche mit großer Wahrscheinlichkeit aussichtslos war.
Auf der Rückreise nach Halburg, die die beiden gemächlicher als die Hinreise angingen, legten Cademar und Flana eine Rast an der Furra-Mündung ein.
»Deine Eltern sind gute Leute«, sagte sie.
Cademar hatte nachdenklich auf einem Stein am Wegesrand gesessen und das träge fließende Treibholz beobachtet. Kein einziges Schiff war auf der sonst so viel befahrenen Karra vorbeigekommen. Er schaute zu Flana auf und nickte. »Das sind sie. Marna … dass sie weggegangen ist, hat ihnen das Herz gebrochen. Hätte ich gewusst, dass sie das tut …«
»Wir werden sie
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