Cademar-Günstling der Magie
Ich fürchte nur, wir steuern unserem Untergang entgegen.«
Cademar senkte den Blick. Er empfand nicht anders. Als er Malkom gegenüber die Familien erwähnt hatte, verspürte er den unüberwindlichen Drang, nach Klarbach zurückzukehren, bevor all dies zu einem Ende kam. Er erhob sich und schritt zur Tür.
Flana stand auf. »Wohin gehst du?«
»Ich werde meine Familie aufsuchen. Jetzt gleich. Es ist noch früh am Abend, und ich möchte die letzte Helligkeit des Tages dazu nutzen.«
»Dann komme ich mit«, sagte sie entschlossen und trat zu ihm.
Er wollte ablehnen, doch sah die Entschlossenheit in ihrem Blick. Was machte es schon, ob sie mit ihm kam oder nicht.
Zahru nickte den beiden zu. »Beeilt euch. Bleibt nicht lange weg. Raukars Schiff wird morgen hier sein, und dann sollten wir sofort lossegeln. Vielleicht wird Kolom früher wieder zur Tat schreiten, als wir glauben.«
Schweigend gingen sie zu ihrem Pferd, das schon den ganzen Tag über im vollen Galopp geritten hatte, doch stark genug war, sie mit Einbruch der Nacht nach Norden die Karra entlang zu tragen. Obwohl Cademar den Weg von Halburg nach Klarbach noch nicht oft bereist hatte, war es ein Ritt, bei dem er sich auch in der Dunkelheit kaum verirren konnte. Schon nach zwei Stunden strammen Galopps erreichten sie die Mündung der Furra in die Karra, und von da an folgten sie dem schmaleren Fluss, bis sie zwei weitere Stunden später Klarbach erreichten.
Cademar wagte nicht, die Hauptstraße von Klarbach entlang zu reiten, auch nicht zu dieser Nachtstunde. Nach den Geschehnissen bei der Dämmerschlucht wusste er nicht, wie die Klarbacher auf ihn reagieren würden, wo er für sie ein Magier war. Er machte einen Bogen um das Dorf und ritt im Mondlicht über Feldwege zum abseits gelegenen Hof seiner Eltern.
Schon von weitem sah er, dass nichts in Ordnung war.
Wut
Der Hof, den Cademars Vater immerzu gepflegt hatte, war zugewachsen. Gras und Ranken standen kniehoch, die Felder in der Nähe lagen brach und die Witterung hatte ihre Spuren an der Fassade und dem Dach hinterlassen, ohne dass die Schäden repariert worden waren.
Langsam ritt Cademar vor die Tür, schaute fassungslos sein Elternhaus an. Erst glaubte er, im Mondlicht einer Täuschung zu erliegen, doch er sah das Haus, wie es wirklich war. Das Pferd wieherte, als wollte es ihre Ankunft verkünden.
»Was ist hier geschehen?«, fragte Cademar flüsternd und stieg ab. Kein Licht war im Haus zu sehen, es schien verlassen zu sein. Auch Flana kam von dem Pferd herab und band es an einem nahen Baum an.
Als Cademar an der Veranda ankam, wurde die Haustür geöffnet. Ein Umriss erschien im Türrahmen, der eine Kerze trug. Es war Ratum, Cademars Vater, der die Kerze hochhob, um den Lichtkegel vor sich zu vergrößern.
Cademar sah, dass sein Vater alt geworden war, alt und knochig. Erst schien er seinen Sohn nicht zu erkennen, aber als er nur noch wenige Meter von ihm entfernt war, legte er die Stirn in Falten. Seine Schultern entspannten sich, als drücke sie ein gewaltiges Gewicht nieder. »Cademar?«, fragte er.
Der junge Mann nickte. »Ich bin es«, sagte er. »Was ist geschehen? Die Felder sind nicht bestellt … das Dach hat Löcher … ich höre kein Scharren und Wiehern aus dem Stall.« Eine eiseskalte Angst packte Cademar. »Was ist mit Mutter, ist sie …«
Hinter Ratum erschien Samka in der Tür und stürzte heraus. »Cademar!«, rief sie aus, sprang die beiden Stufen der Veranda hinab. Sie wollte ihm schon um den Hals fallen, da hielt sie inne, schaute zu Flana, die hinter Cademar stand, atmete seufzend aus und umarmte schließlich Cademar. »Wir hatten große Angst. Was ist geschehen? Wir hörten, dass die Magier von der Lichtfeste ausrückten, und dass der Krieg gegen die Verdunkelten begonnen hätte.«
Cademar drückte seine Mutter an sich, dann schob er sie von sich weg. »Ich erzähle es euch gleich … aber was ist hier geschehen? Warum ist alles so verwahrlost?«
»Marna …«, sagte seine Mutter. »Sie ist letzten Herbst weggelaufen. Deine Schwester wollte dich suchen, Cademar, und sie ist spurlos verschwunden.«
Ratum und Samka führten die beiden ins Haus, entzündeten weitere Kerzen und deckten den Tisch in der Küche. Sie beäugten Flana, als hätten sie noch nie eine junge Frau gesehen, und ihr war dies sichtlich unangenehm. Beide hatten wenig Hunger, aber Cademar trank mit großen Schlucken den Tee, den er seit seiner Kindheit liebte. Er bestand darauf, dass seine
Weitere Kostenlose Bücher