Cadence Jones ermittelt - Davidson, M: Cadence Jones ermittelt
anders.
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Der Besuch im Krankenhaus war reine Routine. Ich wurde von einem Bereich in den nächsten verfrachtet, ohne das Geringste über meinen Zustand zu erfahren. Erst mussten sie mit ihren tausend Sonden und Messgeräten und Wundverbänden fertig sein! Patrick durfte die Wartezone nicht verlassen, und so konnte ich nicht einmal mit ihm sprechen. Ich nutzte die Zeit jedoch gut: Ich rief Michaela an, berichtete von den Geschehnissen, hörte mir an, wie sie Opus aus ihrem Büro jagte (»Wenn meine beste Agentin verletzt ist, werden keine Papierkörbe geleert.«), brachte sie dazu, Opus wieder hereinzurufen, damit der arme Mann seine Arbeit machen konnte, versicherte meiner Chefin, mir gehe es gut, meine Verletzungen hätte ich nicht einem Menschen zu verdanken, bat sie, auf keinen Fall irgendwen zu kastrieren, gebot den Krankenschwestern, still zu sein, als sie mir verbieten wollten, mein Handy zu benutzen, entschuldigte mich wortreich bei meinen Nachbarpatienten, deren Herzmonitore genau in diesem Augenblick wegen der Handy-Störung anfingen, verrücktzuspielen, schaltete mein Handy aus, entschuldigte mich bei den Schwestern, weil ich ihnen nicht zugehört hatte, fragte nach einer Festnetzverbindung, ertrug eine ganze Zeit lang stoisch ihre Untersuchungen, bettelte erneut um ein Festnetztelefon, rief Michaela wieder an, entschuldigte mich, weil ich einfach aufgelegt hatte, überredete sie, Patricks Kennzeichen im Aktenwust verschwinden zu lassen, lehnte ihr Angebot ab, Unterstützung in Anspruch zu nehmen, und entschuldigte mich ein letztes Mal bei der gesamten Schwesternschaft.
Weil ich so emsig beschäftigt war und Patrick nach der ganzen Prozedur darauf bestand, mich zum Essen einzuladen (dieses Mal nicht ganz so nobel: in einem Drive-In), wurde es Nachmittag, bis wir wieder vor Scherzos Haus standen. Ich bestand darauf, dass Patrick im Wagen blieb – eigentlich wäre es mir am liebsten gewesen, wenn er nach Hause gefahren wäre, da mein eigener Wagen auch noch in der Nähe parkte. Aber da wir in einem freien Land leben, konnte ich ihm lediglich das Versprechen abnehmen, im Auto zu bleiben und sein Handy bereitzuhalten. Die Hunde lagen immer noch tot im Vorgarten. Jedem Tier war das Rückgrat derartig durchgebogen worden, dass es jeweils wie ein bizarres U aussah. Auf den zerbrochenen Zähnen der Viecher krochen Fliegen herum.
»Allmächtiger!«, stöhnte ich.
Meine Hand lag auf der Klinke der Verandatür – verflixt, schon wieder! –, als ich den Lärm zerbrechender Möbel vernahm. Im Haus.
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Ein wenig erstaunt, dass ich immer noch ich selbst war – normalerweise hätte an diesem Punkt Shiro übernehmen müssen – , stürzte ich ins Haus. Als ich die Wohnung betrat, sah ich eben noch die Gestalt eines großen Mannes, der durch die Hintertür flüchtete. Ich hatte keine Zeit, mir seine Erscheinung einzuprägen, denn gleichzeitig fiel mein Blick auf etwas wesentlich Schlimmeres: Jeremy Scherzo, unser Zeuge aus South Dakota, der erst kürzlich nach Minneapolis gezogen war, lag auf dem Boden und blutete heftig aus einer Kopfwunde.
Ich raste wieder auf die Veranda und rief Patrick zu, er solle 911 anrufen und berichten, dass sich bereits eine Bundesagentin am Tatort aufhalte. Dann eilte ich zu Jeremy zurück. Als ich mich neben ihn kniete, stellte ich erleichtert fest, dass er noch lebte.
»Dj-dj-ist er noch da?«
Ich seufzte vor Erleichterung, als er die Augen öffnete. Dann fiel mir wieder ein, was sowohl in den Akten der Ortspolizei als auch in unseren eigenen gestanden hatte: dass der Mann leicht erregbar war und im Zuge dessen stotterte. »Nein. Er ist fort. Ich glaube auch nicht, dass er wiederkommt.«
»Ä-ä-er hat mich dauernd angerufen. Mir gedroht. Ich glaube, es ist derselbe Mann.«
»Was wissen Sie noch über ihn?« Ich musterte seine Kopfwunde. Sie schien nicht allzu tief zu sein, blutete aber immer noch. Ich zog meine Windjacke aus und machte Jeremy damit einen Druckverband.
»Groß. Sch-sch-stark. Hat mich überrumpelt. Versucht, mich von hi-hi-hinten zu erwürgen.«
»Was hat er dafür benutzt?«
Jeremy zuckte die Achseln. »Was Weiches. Sa-Sa-Seil vielleicht. Ich hab meine Finger druntergesteckt und da-da-da hat er das Seil losgelassen und me-me-mich geschlagen.«
Ich folgte der Richtung seiner deutenden Hand. In einer Zimmerecke hatte der Täter Beweise hinterlassen. Ungewollt! Aber dann blieb mir das Herz stehen …
In der Zimmerecke ringelte sich wie eine Schlange ein
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