Cadence Jones ermittelt: Drei sind zwei zu viel (German Edition)
müssen sie mit diesem Vorwurf leben. Und mit dem Tod meines Neffen.« Er blinzelte erstaunt, als habe er mich gerade erst wahrgenommen. »Ist sonst nicht meine Art, Patienten derart mit Fäkalsprache zuzutexten.«
»Ich bin FBI -Agentin.«
»Gut.«
»Es tut mir ja so l...«
Dr. Gallo unterbrach meinen Gemeinplatz. »Sie nehmen Tabletten, um wach zu werden, und noch mehr Tabletten, um abends wieder runterzukommen. Sie trinken, um zu vergessen, und vergessen zu trinken. Sie sind im Grunde ebenso tot wie mein Neffe … haben nur nicht genug Mut, um sich ein verdammtes Grab zu suchen, wo sie den Rest ihres erbärmlichen Scheißlebens verdämmern können.«
Mir wollte wieder nichts anderes als »Tut mir ja so leid« einfallen.
»Mir auch. Sorry übrigens wegen der Kraftausdrücke. Ist ja nicht Ihre Schuld. Ich bin … ich bin irgendwie erleichtert, dass ihr vom FBI immer noch in dem Fall ermittelt.«
»Natürlich arbeiten wir noch an dem Fall! Schämen Sie sich, wenn Sie etwas anderes geglaubt haben. Wir arbeiten wie verrückt an dem Fall Ihres Neffen. Wir bearbeiten diesen Fall morgens, abends und nachts. Dr. Gallo, glauben Sie mir ... «
»Max.«
»Äh … ja. Max.« Mmmmm … Max! Mad Max? Maximalschaden? Ich will gar nicht verhehlen, dass mir sein Name gefiel. Max Gallo! Wie ein Zeichentrick-Superheld. Oder ein männliches Unterwäschemodel. »Wir wollen diesen Kerl fassen, Dr. G... Max. Wir wollen ihn fassen – unbedingt.« Bei der Vorstellung, was Shiro dem JB -Mörder antun wollte, sobald wir ihn hatten, wäre ich am liebsten mit den Händen vor dem Mund auf die nächste Toilette gestürzt. »Wir wollen ihn fast so dringend erwischen wie Sie.«
Er nickte und setzte sich auf die Liege, die mir gegenüber stand. »Also, wie kann ich Ihnen helfen?«
Kaum, wie sich herausstellte. Sein Neffe, Chris Glazier, war allein im Haus gewesen. Max’ Schwester und Schwager hatten die Leiche ihres Sohnes gefunden, als sie von einem Angelausflug heimkehrten. Inzwischen waren sie dem Schlafmittel Zoldem vollkommen verfallen, in meinen Augen eine absolut vernünftige Reaktion.
Ihr Sohn war zu Tode geprügelt worden. Sie wünschten, es hätte sie anstelle von ihm getroffen. Wieder und wieder waren sie alles durchgegangen. Hatten sich Szenarien ausgedacht, in denen ihr Sohn nicht ermordet worden wäre. Hundert Rachefantasien, was sie dem Mörder antun wollten. Sie wünschten sich so sehr, es hätte sie statt seiner getroffen, oh, wie sie es wünschten!
Lieber Gott: Du bist gefeuert. Hochachtungsvoll, die Glaziers .
Mit anderen Worten: Es war das Übliche. Die Familie machte durch, was alle Angehörigen durchmachen. Es war geradezu lehrbuchmäßig, und wer will in seiner Trauer schon so etwas hören? Tut uns wirklich leid, aber wusstet ihr schon? Eure Gefühle sind so normal, dass sie in der ganzen Welt verbreitet sind.
»Sie haben gesagt, Sie seien froh gewesen, als Sie hörten, dass wir die Ermittlungen nicht eingestellt haben. Soll das heißen, dass Sie selber ein bisschen Polizei spielen wollten?«
»Es sollte heißen, dass ich den Scheißkerl finden und ihm in sein Scheißgesicht schießen wollte«, erwiderte Dr. Gallo schroff.
Er wirkte durchaus so, als sei er dazu fähig. Und zu noch Schlimmerem. Er hatte die Fäuste geballt, die Adern in seinen Armen standen wie Strumpfbandnattern hervor. In seinen Augen glitzerte es verdächtig und gefährlich. Ja, in der Tat, dazu fähig war noch milde ausgedrückt. Und warum törnte mich das so an? In einem FBI -Verhör war kein Platz für Lüsternheit. Und während einer Blutplättchenspende ebenso wenig.
Aber dennoch: Warum machte mich Gallos verhaltene Drohung so stark an? Weil ich noch Jungfrau war und mich merkwürdige Unterhaltungen stets antörnten? Weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass der liebe, nette Patrick zu so einer Tat fähig wäre? Wie krank war das denn?
»Noch mal Entschuldigung wegen meiner Kraftausdrücke.«
»Sie müssen sich doch nicht entschuldigen. Sie müssen sich für gar nichts entschuldigen, schließlich geht es um Ihre Familie, der Sie den Schmerz nehmen möchten. Und wir bleiben dran, Dr. Gallo, mein Partner und ich bleiben am Ball, bis der JB -Killer tot, in Haft oder tot ist.«
»Gut. Denn ich bleibe auch dran.« Er streckte mir seine Hand entgegen, die ich nahm und schüttelte. Ich spürte seine Entschlossenheit und seinen Zorn in diesem Händedruck. Ich wusste nicht genau, was wir hier besiegelten, aber es schien mir das Richtige
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