Cadence Jones ermittelt: Drei sind zwei zu viel (German Edition)
Stapel Post. Emma Jan versuchte verzweifelt, Pam nicht anzustarren, wobei sie kläglich versagte. Ich wusste, woran es lag. Pam auch.
»Sie fragen sich bestimmt, wie alt ich bin«, sagte sie zu Emma Jan und gab ihr ein paar Memos.
»Na ja … es kommt mir … Sie sehen … «
»Siebzehn.«
Emma Jan machte große Augen. »Die persönliche Assistentin unserer Chefin ist noch nicht einmal volljährig? Wie geht denn das ? Gibt es in diesem Staat kein Gesetz gegen Kinderarbeit? Haben Sie hier als Praktikantin angefangen, die man nicht gehen lassen wollte?«
»Das ist eine lange Geschichte, und gefangen gehalten hat mich eigentlich niemand. Sie wissen, dass Sie in … «, sie warf einen Blick auf die Wanduhr über uns, »… in drei Minuten eine Besprechung haben, oder?«
»Ja, klar, danke, Pam.«
Wir sahen hinter ihr her. Ich verstand Emma Jans Verwirrung nur zu gut. In einem Gebäude voller supergeheimer Dokumente und Regierungsagenten in streng vertraulicher ärztlicher Behandlung bestand das größte Rätsel darin, wie die siebzehnjährige Pam Weinberg sechzig Stunden in der Woche arbeiten konnte, ohne dass man auch nur einen Mucks von ihrer Familie oder von Pflegeeltern hörte. (Die meisten von uns wussten nicht einmal, ob Pam Familie hatte. Michaela wusste es natürlich.) Ich hatte schon oft überlegt, ob es nun gut oder schlecht war, dass niemand Pam zu vermissen schien.
Ich wollte nicht mal über die Umstände Bescheid wissen, wie sie inmitten des Kuckucksnests des FBI gelandet war.
Pam wusste alles über jeden. Es war unheimlich, geradezu beängstigend. Sie wusste, wer an seinem Arbeitsplatz war, wer krank war, wer krank feierte , wer Schaum vor dem Mund hatte, wer zu spät kam, wer zu früh kam, wer mit seinen Stundenzetteln im Rückstand war, wer seine wöchentliche Therapiesitzung verpasst hatte und wer heimlich durchs Vorzimmer geschlichen war und sich nun in Michaelas Privatbad die Zähne putzte.
Ich hatte nur einmal ein paar Tage in Michaelas Büro wohnen müssen. Und das war sowieso Adriennes Schuld gewesen.
Jedenfalls verließ Pam das Büro so gut wie nie. Was ihr sehr gut in den Kram passte … und uns auch. Außerdem tippte sie 140 Wörter in der Minute, brauchte nie etwas zweimal gesagt zu bekommen, sorgte für das reibungslose Funktionieren von Michaelas minutiösem Tagesplan, wusste, wer frech und wer lieb gewesen war, und kam mit vier Stunden Schlaf aus (darauf war ich echt neidisch). Kurz, sie war die perfekte Palastwache. Dass sie noch nicht mal volljährig war und eigentlich auch nicht arbeiten durfte, fiel demgegenüber gar nicht ins Gewicht.
»Stellen Sie sich vor, in ein paar Monaten wird Ihnen das alles hier ganz normal vorkommen.«
Emma Jan wirkte nicht sonderlich überzeugt. »Gott steh mir bei.«
»Gott hat sich krankgemeldet.«
Ich studierte meine Post. Memo, noch ein Memo, Ausverkauf bei Staples (warum stand ich überhaupt auf deren Mailingliste?) und ein schlichter weißer C 5-Umschlag. Anstelle des Absenders war die Zahl drei vermerkt. Und er war an mich adressiert.
Sowie an Shiro.
Und Adrienne.
38
Cadence hat mir diesen Schlamassel völlig zu Recht überlassen.
War es ein Scherz? Oder war es ein Schreiben von den überlebenden Dreierpack-Mördern, zweifellos mit Anthrax gefüllt? Da sie uns fast ermordet hätten, konnte ich Cadence keinen Vorwurf machen, dass sie das Weite gesucht hatte.
»George«, sagte ich.
»Bin beschäftigt«, lautete die Antwort. »Muss jetzt sofort bieten, sonst verkauft eBay an jemanden anders.«
Ich wollte gar nicht wissen, was George so sehr verzauberte, dass er so wortkarg war. »George!«
»Waaaas?« Er sah auf, während ich mir Plastikhandschuhe überstreifte (wir horteten stets einige Paare in unseren Schreibtischen). »Wow. Mir gefällt gar nicht, was ich da sehe, Shiro. Das machst du doch sonst nur, wenn du üble Sexualpraktiken ausprobieren willst. Oder, wart mal … Ist etwa dieser blöde Köter, den Adrienne entführt hat, auf dem Weg hierher? Wenn diese Töle auch nur eine Ladung neben meinem Arbeitsplatz fallen lässt, werd ich ihr ... «
»Sieh doch selbst«, forderte ich ihn auf und zog erst den einen, dann den anderen Handschuh stramm.
George kam zu meinem Schreibtisch geschlendert und begutachtete den Umschlag.
»Soooo ein Scheiß«, lautete sein treffender Kommentar. »Du glaubst, das ist von ihnen?«
Mit ihnen meinte er Tracy Carr und Jeremy Scherzo, zwei Drittel des Dreierpack-Trios, die die Twin Cities als ihr
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